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Krieg in der Ukraine: Schwächt der Dammbruch die ukrainische Gegenoffensive?

Krieg in der Ukraine

Schwächt der Dammbruch die ukrainische Gegenoffensive?

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    Überflutete Straßen in Cherson, nachdem der Kachowka-Damm gesprengt wurde.
    Überflutete Straßen in Cherson, nachdem der Kachowka-Damm gesprengt wurde. Foto: Libkos/dpa

    In den Straßen der ukrainischen Großstadt Cherson steigt der Wasserpegel, Helfer retten in Schlauchbooten Menschen und Haustiere aus tiefer liegenden Gebäuden der Stadt. In den Vororten sind viele Häuser unbewohnbar überflutet. Die Bevölkerung der südukrainischen Stadt leidet von Beginn an unter dem Krieg. Einst lebten in Cherson 280.000 Menschen. Die meisten flohen, bevor die russische Armee wenige Wochen nach ihrem Angriff die Stadt erobert hatte. Knapp 80.000 hielten sieben Monate unter der russischen Besatzung aus, doch auch nach der Befreiung durch die ukrainische Armee im November lag die Stadt oft unter russischem Beschuss. 

    Ukrainischer Stausee hatte mehr als ein Drittel der Wassermasse des Bodensees

    Nun ist Cherson Katastrophengebiet. Mit dem Bruch des Kachowka-Staudamms ergießen sich ungeheure Wassermassen in die Region. Der Stausee fasst mit 18 Milliarden Kubikmeter Wasser mehr als ein Drittel der Menge des gesamten Bodensees. 600 Quadratkilometer sind bereits überschwemmt. Nicht nur ganze Häuser wurden weggerissen, auch Massen an Landminen, die von der russischen Armee in der Region gelegt wurden. 

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj machte sich am Donnerstag persönlich ein Bild von der laufenden Massenevakuierung und traf Anwohner, Rettungskräfte und Soldaten. Er warf der russischen Armee vor, sogar die Hilfskräfte unter Beschuss zu nehmen. Selenskyj hält die Verantwortung Russlands für die Katastrophe für erwiesen. Er glaubt, dass die russische Seite die Folgen der Sprengung unterschätzt habe und eigentlich die ukrainische Gegenoffensive erschweren wollte. „Sie haben nicht daran gedacht, dass sie auch ihre besetzten Gebiete fluten.“ 

    Hat sich Russland bei der Sprengung verschätzt?

    Auch westliche Militärexperten wie Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik halten dieses Szenario für am wahrscheinlichsten. Der Kreml dagegen bezichtigt die Ukraine, den Staudamm beschossen zu haben. Russlands Präsident Wladimir Putin sprach laut einer Mitteilung des Kremls von einer „ökologischen und humanitären Katastrophe großen Ausmaßes“, für welche die Ukraine die Verantwortung trage. 

    Eine dritte Theorie kommt von einer oppositionellen russischen Recherchegruppe CIT. Sie sieht die Ursache für die Katastrophe in einer „verbrecherischen Nachlässigkeit der Besatzer“ und meint damit die russische Armee. Die Truppen hätten seit November 2022 den Abfluss von Wasser aus dem Stausee nicht mehr reguliert und so ein Zerbersten der Mauer in Kauf genommen. Die Ukraine will dagegen genaue Explosionen registriert haben und nannte bereits am Dienstag kurz nach dem Bruch des Staudamms den Namen der russischen Armee-Einheit und ihres Kommandeurs, die die Sprengung herbeigeführt haben sollen.

    Auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, der als Bundeswehr-Oberst früher im militärischen Nato-Hauptquartier gearbeitet hatte, sieht hinter dem Bruch des Staudamms einen gezielten russischen Angriff. „Es war ja mit einer Sprengung zu rechnen, seitdem Russland den Staudamm vermint hat“, erklärt der Sicherheitspolitiker. „Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms schließt sich an die bisherigen Kriegsverbrechen Russlands an“, betont er. „Russland geht es schon lange nicht mehr um militärische Kriegsziele, sondern um die Vernichtung der Ukraine inklusive der Zivilbevölkerung.“

    CDU-Experte Kiesewetter warnt vor Schwächung der ukrainischen Offensive

    Die Überflutung folge einer Strategie der verbrannten Erde wie bereits bei Kriegen in Tschetschenien oder Syrien und erfülle für Russland militärisch einen taktischen Zweck. „Eine Gegenoffensive der Ukraine ist in diesem Bereich noch schwieriger geworden, ein ganzer Frontabschnitt fällt vorerst aus, da der Ukraine die amphibischen Fähigkeiten fehlen, um dies kurzfristig zu überbrücken, und die Ukraine zuvorderst mit der Rettung betroffener Bürger beschäftigt ist“, erklärt der Militärexperte. „Kurzfristig liegt also der militärische Vorteil bei Russland. Allerdings dürfte es die Gegenoffensive nur weiter verzögern, bis das Wasser im Dnjepr zurückgeflossen ist, dies dürfte relativ rasch der Fall sein.“ 

    Für die Zivilbevölkerung der Südukraine sei der Dammbruch eine gewaltige Katastrophe. „Zahlreiche Minen können durch die Überschwemmung verschwemmt worden sein, Trinkwasserversorgung und Stromversorgung sind zerstört“, sagt Kiesewetter. „Die Schäden an Häusern und landwirtschaftlichen Flächen lassen sich schwer einschätzen. Klar ist aber, dass es ukrainische Kräfte bindet, da ausreichend Helfer von außen kaum zu erwarten sind.“

    Tatsächlich scheint das ganze Ausmaß der Katastrophe noch nicht absehbar: Die Überflutung dürfte die Trinkwasserversorgung und die Landwirtschaft durch Verseuchung des Grundwassers lange Zeit gefährden. Bereits jetzt wurden 17.000 Menschen in die Flucht getrieben. 

    Union fordert Intensivierung der deutschen Katastrophen und Militärhilfe

    Deutschland müsse nun seine Hilfen weiter intensivieren, fordert der Oppositionspolitiker Kiesewetter. „Umso wichtiger ist es, dass sich die westliche Unterstützung im Bereich der Katastrophenhilfe, Bereitstellung von Trinkwasseraufbereitung, Notstromaggregaten, Lebensmittelversorgung erhöht“, sagt er. „Entscheidend ist aber, dass die bisherige militärische Unterstützung deutlich erhöht wird, in Quantität und vor allem in Qualität“, betont der CDU-Politiker, der seit Kriegsbeginn immer wieder stärkere militärische Hilfe Deutschlands forderte, die oft später von der Bundesregierung geliefert wurde.

    „Je früher die Ukraine militärisch in der Lage ist, ihre Gebiete zu befreien und die russischen Truppen zurückzudrängen, desto mehr weitere Kriegsverbrechen durch Russland können verhindert werden“, betont Kiesewetter. Derzeit dringt der Militärexperte vor allem auf die Lieferung des deutschen Marschflugkörpers Taurus, mit dem westliche Kampfjets bestückt werden können. Mit solchen Waffen könne die Ukraine die russischen Truppen auf der Krim von ihrer Versorgung abtrennen. „Der Schlüssel zum Erfolg der Ukraine liegt in der Befreiung der Krim“, sagt Kiesewetter.

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