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Krieg in der Ukraine: Putin verkündet Annexion der besetzten Gebiete in der Ukraine

Krieg in der Ukraine

Putin verkündet Annexion der besetzten Gebiete in der Ukraine

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    Wladimir Putin inmitten der Chefs der sogenannten Volksrepubliken.
    Wladimir Putin inmitten der Chefs der sogenannten Volksrepubliken. Foto: Pool Sputnik Kremlin/AP / Grigory Sysoyev / Grigory Sysoyev

    Am Ende legen sie ihre Hände einzeln aufeinander, Russlands Präsident Wladimir Putin und die Chefs der sogenannten Republiken Donezk und Luhansk sowie der von Russland okkupierten ukrainischen Gebiete Cherson und Saporischschja. Sie halten sich aneinander fest und schreien: „Russland, Russland!“ Als wäre es ein Fußballspiel, bei dem sie ihre Mannschaft antreiben. All die Menschen vor ihnen,

    Putins Freitagsrede vor der Unterzeichnung seines Anschlusses von vier ukrainischen Gebieten an Russland soll feierlich wirken. Letztlich aber bleibt sie eine psychologische Attacke voller Hass auf die USA und den Westen. Sie zeigt, dass der Plan des russischen Präsidenten, die Ukraine zu unterwerfen, gescheitert ist und legt dar, dass Putin, der nie nachgibt, sich und vielen anderen im Saal und draußen im Land diese Niederlage nicht eingestehen wird.

    Bei Putins Inszenierung haben russische Familien kaum etwas zu feiern

    Deshalb braucht er die Hunderte von Abgeordneten, Ministern, Gouverneuren, Muftis und Priestern im Kreml, die ihm applaudieren. Ihnen allen signalisiert er: Ihr seid mit in diesem Boot, in das ich euch am 24. Februar hineingehievt habe. Deshalb braucht er die Tausenden von herbeigekarrten Menschen draußen auf dem Roten Platz, die mit ihren russischen Fähnchen in die Fernsehkameras jubeln. „Endlich sind unsere Leute zu Hause“, sagt da so mancher und kann doch kaum erklären, wer da eigentlich in welchem Zuhause sei. „Die Wahrheit ist unsere. Russland ist unser“, ruft Putin in den Saal hinein. Standing Ovations.

    Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Bild zeigt den russischen Präsidenten Putin inmitten der von Moskau ernannten Leiter der «annektierten» Regionen.
    Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Bild zeigt den russischen Präsidenten Putin inmitten der von Moskau ernannten Leiter der «annektierten» Regionen. Foto: Mikhail Metzel, Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

    Während auf Moskaus Bühnen der Putin’sche Anschluss inszeniert wird, gibt es auf dem Schlachtfeld in der Ukraine und letztlich in jeder russischen Familie kaum etwas zu feiern. Die Mobilisierung, die Putin euphemistisch „Teilmobilisierung“ nennt, hat zu einem wohl lang anhaltenden Volkskrieg gemacht. Den Menschen in Russland ist plötzlich so bange wie lange nicht mehr. Die einen schicken ihre Söhne mit letztem Geld ins Ausland, die anderen voller Fatalismus in den Tod.

    Und Putin sagt: „Wollen wir statt Mama und Papa Elternteil 1 und Elternteil 2 sagen? Wollen wir statt Frauen und Männer irgendein drittes Geschlecht anerkennen?“ Wie all das mit seinem Landraub zusammenhängt, erklärt er nicht. Stattdessen: ein bisschen Homophobie hier, viel Anti-Amerikanismus dort.

    Dem Westen bescheinigt er Totalitarismus und politischen Rassismus. „Sie brauchen Russland nicht, sie wollen es in Stücke zerbrochen sehen.“ Ukrainische Truppen umstellen derweil die russische Armee bei Lyman. Und fast zeitgleich kündigt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an, dass sein Land einen Antrag auf beschleunigten Nato-Beitritt stelle.

    Von atomaren Waffen spricht Putin dieses Mal nicht

    Die Eile des Kreml ist also kein Zufall. Es soll eine Art Status quo geschaffen werden: Man will zeigen, dass 20 Prozent der Ukraine russisch seien. Moskau beansprucht eine Westgrenze, die es nicht kontrolliert. Keine der vier Regionen ist in russischer Hand, völkerrechtlich anerkannt sind die „Referenden“, die Putin als „freie, von der UN geschützte Willensbekundung von Millionen von Menschen“ bezeichnet, ohnehin nicht.

    Das hindert ihn nicht daran, die Ukraine und den Westen aufzurufen, die Kampfhandlungen „sofort einzustellen und den Krieg zu beenden, den Kiew 2014 angefangen hat“. Er wolle zum Dialog zurück, sonst könne es zu einem „Kollaps“ kommen, sagt er und droht an, die annektierten – er nennt sie „befreite“ – Gebiete „mit allen Mitteln zu verteidigen“. Von atomaren Waffen spricht er dieses Mal nicht.

    Putin zeigt mit seiner Rede einmal mehr, welch spiegelverkehrte Welt er für sich geschaffen hat und wie gut er sich darin eingerichtet hat. Es ist stets der Westen, dem er Gewalt vorwirft, Lügen, Zerstörungswut. Jedes Land sei ein Vasall der USA, manche freiwillig, andere gezwungenermaßen. Russland aber werde seinen „Kampf für ein großes historisches Russland führen“. Letztlich aber führt Putin – in die Ecke getrieben und damit immer gefährlicher – seinen Kampf um den eigenen Machterhalt. Andere Mittel als immer größere Gewalt, als Angst und Schrecken, die Respekt ersetzen sollen, hat er nicht mehr. Viele in Russland bejubeln ihn dafür – manche freiwillig, andere gezwungenermaßen.

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