Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

100 Tage im Amt: Olaf Scholz erfindet sich im Angesicht des Krieges neu

100 Tage im Amt

Olaf Scholz erfindet sich im Angesicht des Krieges neu

    • |
    Olaf Scholz im Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Schwielowsee. Einen Nato-Einsatz in der Ukraine hatte der Bundeskanzler zuvor ausgeschlossen.
    Olaf Scholz im Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Schwielowsee. Einen Nato-Einsatz in der Ukraine hatte der Bundeskanzler zuvor ausgeschlossen. Foto: Clemens Bilan/ EPA Pool/dpa

    Es ist der erste Besuch bei der Bundeswehr seit seinem Amtsantritt als Kanzler, geplant schon vor Wochen. Doch durch den Krieg in der Ukraine lädt sich der Termin beim Einsatzführungskommando der Truppe in Schwielowsee bei Potsdam zwangsläufig mit Bedeutung auf. Im dunkeln Mantel und mit ernster Miene steht der SPD-Politiker inmitten der Generäle, die ihn nicht in Paradeuniform empfangen, sondern im Flecktarn. Es sind gefährliche Zeiten, das zeigen die Kampfanzüge. Doch wer hier das Sagen hat, daran lässt die selbstbewusste Körpersprache von Scholz keinen Zweifel: Er, Olaf

    Scholz erklärt seine Politik viel konsequenter als zuletzt, wird klarer in seinen Aussagen und setzt dabei auf die Macht der Bilder. An diesem kalten Freitagmorgen in Brandenburg zeigen die Fernsehaufnahmen der Nation das Bild des Staatslenkers, der mit den Spitzen des Militärs die Lage erörtert. Oberbefehlshaber der Bundeswehr ist der Regierungschef laut Grundgesetz zwar erst im Verteidigungsfall, der glücklicherweise nicht eingetreten ist. Formell hat seine Parteifreundin, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, die Befehls- und Kommandogewalt. Doch Scholz' Auftritt soll klarmachen: Er ist der Chef der Ministerin, der ganzen Streitkräfte, er gibt den Kurs vor. In einer Situation, in der selbst ein verheerender Atomkrieg nicht mehr ausgeschlossen werden kann, wandelt sich ein

    "Attacken auf zivile Infrastruktur und Zivilisten müssen aufhören": Bundeskanzler Olaf Scholz.
    "Attacken auf zivile Infrastruktur und Zivilisten müssen aufhören": Bundeskanzler Olaf Scholz. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Olaf Scholz verspricht: Bundeswehr kämpft nicht in der Ukraine

    In der Henning-von-Treschkow-Kaserne erinnern Steinsäulen an die 115 bei Auslandseinsätzen getöteten Angehörige der Bundeswehr. Still geht der Hamburger, der selbst den Kriegsdienst verweigert hat, durch diesen "Wald der Erinnerung". Dass deutsche Soldatinnen und Soldaten auch in der Ukraine kämpfen, schließt Scholz bei seinem kurzen Auftritt vor der Presse erneut aus. "Wir sind nicht Teil der militärischen Auseinandersetzung, die dort stattfindet, und werden es auch nicht werden", sagt er. Es sei für die Bundesregierung "völlig klar, dass die Nato und ihre Mitgliedstaaten sich nicht an dem Krieg beteiligen". Man werde aber auf diplomatischem Wege alles für einen Waffenstillstand tun. Noch keine Woche ist es her, dass Scholz in einer Sondersitzung des Bundestags eine "Zeitenwende" verkündet hat, die auch die Ertüchtigung der Bundeswehr für die gewaltige zusätzliche Summe von 100 Milliarden Euro einschließt.

    Ausführlich abgesprochen hat er das nicht, weder in den Reihen seiner SPD, noch bei den Koalitionspartnern. Bei linken Sozialdemokraten und vielen Grünen kommt der Schritt nicht gut an, wird als "Aufrüstung" abgelehnt. Doch Scholz weiß in diesen Tagen, dass er sich zermürbende Debatten nicht erlauben kann. Lange genug haben ihn die Nato-Partner dafür gescholten, dass er bei der westlichen Reaktion auf Putins Drohgebärden auf der Bremse stand. Unter Druck hat Scholz dann doch geliefert und dabei zu Maßnahmen gegriffen, die noch vor kurzem völlig undenkbar schienen. Waffenlieferungen an die Ukraine durchgewunken. Sich zu deutlich höheren Verteidigungsausgaben bekannt. Angekündigt, die Anhängigkeit von russischer Energie zu reduzieren.

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beantwortet Fragen der Moderatorin Maybrit Illner zur Ukraine-Krise.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beantwortet Fragen der Moderatorin Maybrit Illner zur Ukraine-Krise. Foto: Svea Pietschmann, ZDF/dpa

    Scholz' bittere Abrechnung mit Gerhard Schröder

    Lange um klare Worte gedrückt hatte sich Scholz auch gegenüber seinem Parteifreund, früheren Förderer und Vor-Vorgänger im Amt. Gerhard Schröder verbindet mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine langjährige Männerfreundschaft. Er ist Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG und damit quasi Chef-Lobbyist für die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2, die Scholz nach langem Zögern nun doch auf Eis gelegt hat. Zudem ist Schröder den mächtigen staatlichen russischen Energiekonzernen Rosneft und Gazprom eng verbunden, will diese Drähte in den Kreml aber trotz des Angriffs auf die Ukraine nicht kappen. Donnerstagnacht, in der Talkshow von Maybritt Illner (ZDF) rechnet Scholz in knappen, kühl vorgetragenen, rasiermesserscharfen Sätzen mit dem Problem-Genossen aus Hannover ab. "Ich finde nicht richtig, dass Gerhard Schröder diese Ämter wahrnimmt", setzt er an. Es sei ihm wichtig, dass der Ex-Kanzler sich von diesen Ämtern zurückzieht, sagt er. Denn die Posten bei staatlichen und halbstaatlichen russischen Unternehmen seien eben "überhaupt keine private Angelegenheit". Als ehemalige Kanzler trage Schröder weiter Verantwortung, müsse sich vor der Öffentlichkeit rechtfertigen. Schon hat er den Mann, dem er einst als SPD-Generalsekretär diente, aufs Abstellgleis geschoben.

    Aus dem Umfrage-Keller ans Licht

    Seine stoische Ruhe hat sich Olaf Scholz bewahrt, doch seine gestanzt wirkenden Sätze, die ihm einst den Spottnamen "Scholzomat" eintrugen, sind Worten und Entscheidungen gewichen, die klar und manchmal kühn wirken. Dabei fragten in den Wochen vor der Eskalation in der Ukraine zahlreiche Medien, bis hin zur US-amerikanischen Washington Post: "Wo ist Scholz?". Die Popularitätswerte des Kanzlers rauschten in den Keller. Unter dem Druck der Ereignisse und der Verbündeten entschied sich der Kanzler nicht wie zuvor so oft für den zaghaften Kurswechsel, sondern eine Kehrtwende mit "Wumms". Das kommt offenbar an: Laut Infratest Dimap stieg der Anteil der Bürgerinnen und Bürger, die mit

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden