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Krieg in der Ukraine: Noch keine Alarmstufe beim Gas – aber wie geht es weiter?

Krieg in der Ukraine

Noch keine Alarmstufe beim Gas – aber wie geht es weiter?

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    Bundeswirtschaftsminister Habeck beeilt sich, damit Deutschland von russischer Energie unabhängig wird.
    Bundeswirtschaftsminister Habeck beeilt sich, damit Deutschland von russischer Energie unabhängig wird. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Russland versorgt Deutschland weiter mit Gas – die Frage ist nur: Wie lange? Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck geht davon aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin

    Aus diesem Grund verzichtet er darauf, die zweite Notfallstufe bei der Gasversorgung auszurufen. Habeck wollte aber auch nicht verhehlen, dass der russische Überfall auf die Ukraine die europäische Ordnung auf den Kopf gestellt hat. „Das ist die Realität, wo Energie als Waffe eingesetzt wird und wir sehen müssen, dass wir nicht wehrlos sind.“

    Denn die Entscheidung Putins, Polen und Bulgarien von russischem Gas zu trennen, hat die deutsche Gewissheit erschüttert, dass der Kreml auch in Zeiten größter Spannung Energie bereitstellt. Laut Habeck stammen aktuell noch 35 Prozent des deutschen Gasverbrauchs aus den sibirischen Lagerstätten. Vergangenes Jahr waren es noch 55 Prozent. Ein Abriss der Lieferungen aus den sibirischen Feldern würde Deutschland in eine Wirtschaftskrise stürzen.

    Ökonomen beziffern den Absturz in der Spanne zwischen 3 und 6 Prozent. Habeck glaubt nicht daran, dass sich eine derartige Ausnahmesituation präzise vorhersagen lässt und fürchtet geschlossene Fabriken, hunderttausende Arbeitslose bei sprunghafter Inflation. Bevor Leute zu Hause frieren müssen, würde die Industrie zwangsweise abgeregelt.

    Wirtschaft zurück im Krisenmodus

    Allein der starke Anstieg der Energiepreise in den vergangenen Monaten, der sich aus Kriegsangst und der starken Nachfrage nach Alternativen zu Russland speiste, hat die deutsche Wirtschaft zurück in den Krisenmodus geschickt. Habeck hat deshalb die Wachstumsprognose heruntergesetzt. Statt 3,6 Prozent erwartet er nur noch einen Anstieg der Wirtschaftsleistung von 2,2 Prozent. Die Inflation bemessen seine Fachleute mit 6,1 Prozent. Die Preise schnellen so kräftig nach oben wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Hoffnungsschimmer ist, dass die Arbeitslosigkeit bei 5 Prozent stabil bleiben dürfte. „Der Krieg gegen die Ukraine und seine wirtschaftlichen Auswirkungen erinnern uns daran, dass wir verwundbar sind“, sagte der Minister.

    Wegen seiner Größe und starken Industrie ist Deutschland der wichtigste Kunde russischer Energie in Europa. Jede zweite Wohnung hierzulande wird mit Gas geheizt. Im Gegenzug sorgt Deutschland für hohe Einnahmen für den russischen Staat. Rund 40 Prozent des Budgets werden aus dem Rohstoffsektor finanziert. Allein seit dem Überfall auf die Ukraine Ende Februar hat Russland zweistellige Milliardenbeträge eingenommen. Eine Schätzung lautet auf 40 Milliarden Dollar und das nur für den Zeitraum bis Anfang April.

    Wichtig ist das Geschäft für Präsident Putin derzeit, weil es für hohe Deviseneinnahmen sorgt und über das Umwechseln in Rubel den Kurs der russischen Währung stabilisiert. Gewinnt der Rubel an Wert, sinkt der Inflationsdruck und die Russen haben mehr Kaufkraft. Die westlichen Wirtschaftssanktionen als Antwort auf den Überfall der Ukraine haben das Land in einen tiefen Abschwung gestürzt. Der Internationale Währungsfonds erwartet ein Schrumpfen um 8,5 Prozent.

    Das Ziel ist der Verzicht auf russische Energie

    Noch tiefer hinab könnte der Westen Russland stoßen, wenn er ein Energieembargo beschließen würde, also vollständig auf Kohle, Öl und Gas verzichtet. Bereits beschlossen hat die EU, ab dem Sommer keine russische Kohle mehr zu kaufen. Andere Lieferanten wie Kolumbien sollen mehr nach Europa exportieren. Bei Öl deutet sich an, dass der Zeitpunkt ebenfalls in greifbarer Nähe liegt. Deutschland als wichtiger Verbraucher kann nach der Einschätzung des Wirtschaftsministers eigentlich schon heute ohne Putins Öl auskommen.

    Die Raffinerie in Schwedt an der Oder gehört dem russischen Staatskonzern Rosneft und wird mit Öl aus Russland beliefert.
    Die Raffinerie in Schwedt an der Oder gehört dem russischen Staatskonzern Rosneft und wird mit Öl aus Russland beliefert. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Letztes Hindernis ist die Raffinerie in Schwedt an der Oder, die dem russischen Konzern Rosneft gehört und über die Freundschafts-Pipeline direkt mit Russland verbunden ist. Sie erzeugt Diesel und Benzin für Berlin und den Nordosten Deutschlands. Die Raffinerie soll nun alternativ über eine zum Rostocker Hafen führende Röhre Öl erhalten oder durch Tank-Lkw. Weigert sich Rosneft, kann Habeck sie mittels eines neuen Gesetzes enteignen. „Man kann nicht sagen, niemand merkt es, aber es würde nicht mehr zu einer Vollkatastrophe kommen“, schätzt der Minister.

    Bei Gas ist die Lage komplizierter, weil der Brennstoff Deutschland über Pipelines erreicht und es bislang kein eigenes Flüssiggasterminal gibt. Jetzt soll binnen zwei Jahren eines bei Brunsbüttel an der Nordsee in Rekordzeit hochgezogen werden – notfalls ohne finale Baugenehmigung. „Es ist nicht realistisch“, räumte Habeck ein, aber es gelte, das Unrealistische zu probieren.

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