Macht er’s oder macht er’s nicht: Der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz, Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern, steigt mit jedem Tag. Als erstes Land hat Polen nun offiziell um eine Genehmigung gebeten, entsprechendes Gerät nach Kiew zu schicken – da die "Leos" aus deutscher Produktion stammen, geht das nur mit dem Einverständnis aus Berlin. Auch in Washington wächst die Ungeduld, wann es im Kanzleramt zu einer Entscheidung kommt. Mehrere EU-Politiker äußerten sich zudem beim Treffen der europäischen Außenminister in Brüssel kritisch und ungewöhnlich deutlich.
Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki machte am Montag klar, dass sein Land sich notfalls mit anderen Staaten zusammenschließen wolle, selbst dann, wenn Deutschland die Ausfuhr verweigern sollte. "Wenn die Deutschen nicht in dieser Koalition sind, werden wir trotzdem unsere Panzer zusammen mit anderen in die Ukraine verlegen", sagte Morawiecki.
Wer mit Polen kooperieren könnte, führte er nicht aus. Infrage kämen Länder wie Schweden oder Spanien. Auch Finnland signalisierte, dass es bereit sei, sich an Leopard-2-Panzerlieferungen zu beteiligen. "Es ist wichtig, dass die Ukraine das Material, was sie braucht, jetzt sofort bekommt", sagte der finnische Außenminister Pekka Haavisto in Brüssel. Die Ungeduld wächst. "Ich wünschte, ich müsste nicht noch einen weiteren Tag warten, bis die Panzer geliefert werden", erklärte Gabrielius Landsbergis, Außenminister von Litauen. Sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn betonte, dass auf Olaf Scholz "eine große Verantwortung, wirklich einen Schritt zu tun" laste.
Wird Deutschland den polnischen Antrag blockieren?
Nach Worten von Außenministerin Annalena Baerbock würde sich Deutschland nicht gegen die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern aus anderen Ländern in die Ukraine stellen. "Wir wurden bisher nicht gefragt und (...) wenn wir gefragt würden, würden wir dem nicht im Wege stehen", sagte die Grünen-Politikerin dem französischen Sender LCI. Ob die Aussage mit Scholz abgestimmt war, blieb allerdings offen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Montag mit maximaler Distanz zur Fragestellung: "Wenn ein solcher Antrag in Deutschland gestellt würde, was zur Stunde noch nicht der Fall ist, dann gibt es dafür eingespielte Verfahren, in denen eine solche Anfrage beantwortet wird. Und an die halten wir uns alle."
Auch im Weißen Haus ist man verstimmt. Nur mühsam konnte sich John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, bei einer Pressekonferenz ein paar freundliche Worte über Deutschland abringen. "Natürlich sind die sauer", beschreibt eine europäische Expertin die Stimmung ihrer Gesprächspartner in der US-Administration angesichts der deutschen Hängepartie um die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine.
Die USA könnten nun doch Abrams-Panzer liefern
Doch zugleich wächst im Kongress der überparteiliche Druck auf die Biden-Regierung, durch eine – zumindest symbolische – Bereitstellung amerikanischer Abrams-Panzer den Weg für die Leopard 2 freizumachen. "Wir müssen den Knoten durchschlagen", forderte Richard Blumenthal, der demokratische Senator von Connecticut, in seiner Heimatzeitung Connecticut Post: "Die Biden-Regierung hat dazu den Schlüssel in der Hand. Wir sollten Abrams liefern, und dann werden die Deutschen auch Leopard-2-Panzer hergeben, um den russischen Angriff zu stoppen." Bislang lehnt das Pentagon die Lieferung der amerikanischen Abrams-Kampfpanzer an die Ukraine ab, weil diese zu viel Treibstoff benötigten und zu aufwendig zu warten seien.
In einem Brief an Verteidigungsminister Boris Pistorius forderten auch dutzende britische Abgeordnete die Lieferung der Kampfpanzer. "Wir verstehen die historischen Gründe für die Zurückhaltung, deutsche und in Deutschland hergestellte Panzer bereitzustellen", zitierte die Zeitung Sun aus dem Schreiben. "Wir möchten Sie jedoch in diesem Moment äußerster Dringlichkeit dringend bitten, Ihre Position zu überdenken."