Der russische Präsident Wladimir Putin testet die Einigkeit der Europäer bei den Sanktionen wegen seines Krieges. Am Ende des Kräftemessens könnte es dazu kommen, dass kein russisches Gas mehr nach Westen fließt. Dann würde in Deutschland im nächsten Herbst und Winter das Gas knapp und der Preis für den Brennstoff würde wohl explodieren. Aber dazu muss es nicht kommen, wenn Putin auf der einen Seite und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als Regierungschef der größten Volkswirtschaft Europas auf der anderen kein Interesse an einer Eskalation haben.
Für die Galerie bestehen beide auf ihren Positionen. Putin hat per Dekret angeordnet, dass „unfreundliche Staaten“ ab Freitag die Gasrechnung in Rubel begleichen müssen. Unfreundlich sind die Staaten, die sich den schmerzvollen Zwangsmaßnahmen angeschlossen haben, die der Westen wegen des Überfalls auf die Ukraine gegen Russland verhängt hat.
Scholz besteht auf Euro-Zahlung für russisches Gas
Kanzler Olaf Scholz hält wiederum seine Linie: „In den Verträgen steht, dass wir in Euro zahlen“, sagte Scholz mit einem Treffen mit dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Donnerstag. Nehammer pflichtete ihm bei. Beide Kanzler haben das Problem, dass ihre Länder von russischem Gas abhängig sind.
Für Scholz erschien Putins Entscheidung zunächst wie eine kleine Demütigung. Erst am Vortag hatte er schließlich mit dem Kremlherrn telefoniert. Dessen Sprecher verkündete, dass die Umstellung auf Rubel erst schrittweise erfolgen werde. Es sah also so aus, als könnten die Europäer ihre Rechnungen für Energie weiter in Euro oder Dollar begleichen. Ein genauer Blick auf den Vorgang legt nahe, dass es sich um Schattenboxen handelt.
Demnach werden Deutschland, Österreich und die anderen EU-Staaten weiter in Euro oder Dollar zahlen. Das Geld wird von der Gazprombank, die nicht mit Sanktionen belegt ist, in die russische Landeswährung getauscht. Die finale Zahlung könnte dann über diesen Zwischenschritt in Rubel erfolgen. Für Russland hat das einen stützenden Effekt: Durch das „Umtauschen“ der hohen Summen in Rubel steigt die Nachfrage nach der Währung und damit ihr Wert. "Ruhig bleiben. Ist ne Putin'sche Nebelkerze, um Verwirrung zu stiften", kommentierte der Düsseldorfer Wirtschaftsprofessor Jens Südekum.
"Das letzte Sanktionspaket muss nicht das letzte sein"
Nach Erlass der Strafmaßnahmen zu Kriegsbeginn war der Rubelkurs abgestürzt, erholte sich aber zuletzt. Ist der Rubel mehr wert, dämpft das die Inflation, die Russland sonst über Importe in die eigene Volkswirtschaft mit eingeführt hätte. Das Ziel der westlichen Sanktionen ist es, die russische Wirtschaft in den Abschwung zu treiben und Inflation zu erzeugen. Putin soll dazu gebracht werden, aus Angst vor einem Aufbegehren einer unzufriedenen Bevölkerung die Kämpfe in der Ukraine zu stoppen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) blieb äußerlich gelassen, als er nach dem Effekt des Moskauer Beschlusses gefragt wurde. „Was sie mit dem Geld machen, ist weitestgehend ihr Bier“, sagte Habeck. Bisher fließe das Gas aus Russland, die Speicher füllten sich. Der Wirtschaftsminister appellierte an die Verbündeten, sich nicht von Putin auseinandertreiben zu lassen. „Es zeigt sich einmal mehr, dass Geschlossenheit eine Stärke ist.“
Sowohl Habeck als auch Scholz versuchten ihrerseits, die Drohkulisse aufrechtzuerhalten. „Das letzte Sanktionspaket muss nicht das letzte sein, sollte nicht das letzte sein“, betonte der Grünen-Politiker. Weitere Schwachpunkte seien identifiziert. In seinem Haus wird derzeit an einem Hilfspaket für die Wirtschaft gearbeitet, um den Preisschock wegstecken zu können. Das Geld soll vorwiegend energieintensiven Unternehmen wie Stahlwerken, Aluhütten, Papier- und Chemiefabriken zugutekommen, wie Habeck ankündigte. „Die Wirtschaft braucht ebenfalls Hilfen“, erklärte der 52-Jährige.
Die Bundesregierung arbeitet daran, die deutsche Abhängigkeit von Öl, Kohle und Gas aus Russland abzubauen. Wenn es gut läuft, könnte das bei den ersten beiden Rohstoffen noch im laufenden Jahr klappen. Russisches Gas wird nach Einschätzung Habecks noch zwei Jahre gebraucht, obwohl sein Anteil in Deutschland schon von 55 auf 40 Prozent gesunken ist.