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Krieg in der Ukraine: In der Ukraine droht jetzt ein schmutziger Krieg

Krieg in der Ukraine

In der Ukraine droht jetzt ein schmutziger Krieg

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    Menschen füllen Sandsäcke, um Barrikaden auf dem Maidan-Platz in Kiew zu errichten.  Die Stadt ist für Putin von besonderer Bedeutung.
    Menschen füllen Sandsäcke, um Barrikaden auf dem Maidan-Platz in Kiew zu errichten. Die Stadt ist für Putin von besonderer Bedeutung. Foto: Diego Herrera, dpa

    Ein deutsches Wort macht derzeit Karriere: Blitzkrieg. Im Schnelldurchlauf wollte Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine einnehmen. Doch mehr als eine Woche nach Kriegsbeginn wird klar: Der Widerstand der Bevölkerung und der Soldaten bremst die russische Armee, der schnelle Triumph für den Kreml bleibt aus. Während Putins Truppen vor allem im Süden der

    Putin braucht die Dreimillionenstadt, um die Regierung um Präsident Wolodymyr Selenskyj zu vertreiben und eine Marionetten-Regierung zu installieren. Deshalb dürfte das vor allem zur Folge haben, dass Moskau seine Angriffe noch einmal verstärkt, dass der Krieg blutiger, verlustreicher wird. Die Prognosen der Experten sind entsprechend düster. „Die kommenden Tage werden wahrscheinlich noch schlimmer sein, mit mehr Tod, mehr Leid und mehr Zerstörung“, sagt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

    Russische Truppen setzen nach ukrainischen Armeeangaben ihren Vormarsch auf die Kiew fort. „Die Hauptanstrengungen der Besatzer konzentrieren sich auf die Einkreisung Kiews“, heißt es im Lagebericht der ukrainischen Armee. „Ziel ist es offenbar, die Hauptstadt zu belagern, von Wasser, Strom und Lebensmittelzufuhr abzuschneiden und mittels einer Beschießung der Stadt die Bevölkerung zu zermürben und die Kapitulation zu erzwingen“, analysiert Joachim Krause, Leiter des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel.

    Daher sei in den kommenden Tagen ein Vorstoß der russischen Truppen westlich und östlich von Kiew in Richtung Süden zu erwarten. Die Belagerung und Beschießung dürfte den Übergang zu einer „schmutzigen“ Kriegsführung markieren, die keine Rücksicht mehr auf zivile Infrastruktur und die Bevölkerung nehme und bereits aus Syrien oder dem Tschetschenienkrieg bekannt sei, befürchtet Krause.

    Muss die Nato im Ukraine-Krieg doch noch einschreiten?

    Die Hoffnungen auf erfolgreiche Friedensgespräche dürften sich kaum erfüllen. Putin hat sich selbst praktisch keine Hintertür für einen politischen Kompromiss gelassen – zumindest keinen, der von der Ukraine derzeit erfüllt werden kann. Stattdessen arbeitet sich die russische Truppe in einer Art Zangenbewegung voran. „Insgesamt sieht es nicht gut aus für die Ukraine“, sagt Krause. Die Kremlführung habe sich zwar verkalkuliert, was den Widerstand der ukrainischen Streitkräfte betreffe. „Aber das russische Militär versucht, aus Fehlern zu lernen, und schaltet in der Kriegführung von moderat auf brutal. Der russische Präsident Putin will diesen Krieg auf jeden Fall gewinnen – selbst zum Preis einer militärischen Konfrontation mit dem Westen.“

    Dass es dazu kommt, ist indes unwahrscheinlich, denn ein direktes Eingreifen der Nato würde mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Weltkrieg führen. „Sollte in Kiew wegen einer russischen Belagerung eine humanitäre Katastrophe einsetzen, könnten allerdings Rufe nach einer humanitären Intervention einsetzen“, glaubt Krause.

    Auch Bundeskanzler Olaf Scholz stellt noch einmal klar: „Wir sind nicht Teil der militärischen Auseinandersetzung, die dort stattfindet, und werden es auch nicht werden. Es ist für uns völlig klar, dass die Nato und ihre Mitgliedstaaten sich nicht an dem Krieg beteiligen.“ Die Bundesregierung werde alles für einen Waffenstillstand tun und diplomatische Spielräume nutzen. Doch auf einen wirklichen Waffenstillstand, glaubt Krause, dürfte sich Putin nur einlassen, wenn die Einschließung von Kiew nicht gelingt.

    Gefahr von Guerilla-Kämpfen in der Ukraine

    Doch selbst wenn der russische Präsident in den kommenden Tagen weitere militärische Erfolge erzielt, dürfte die Ukraine so schnell kaum zur Ruhe kommen. Wahrscheinlicher ist eine Art Guerillakrieg, in dem Ukrainer aus dem Untergrund heraus gegen den Besatzer aufbegehren. „Vorbild für die Ukrainer ist die erbitterte Entschlossenheit der Finnen während des Winterkrieges 1939, welches am deutlichsten seinen Ausdruck durch die Rückgriffe auf Molotowcocktails findet“, sagt Krause. Diese wurden von den Finnen massenweise und erfolgreich gegen die Rote Armee eingesetzt und nach dem damaligen sowjetischen Außenminister Molotow benannt.

    „Einem Volkskrieg der Ukrainer haben die Russen außer Brutalität nichts entgegenzusetzen“, sagt der Sicherheitsexperte. „Die verfügbaren russischen Truppen würden zudem nicht ausreichen, um dauerhaft einen derartigen Aufstand niederzuschlagen, es sei denn, Russland macht die großen Städte in der Ukraine platt. Ein zumindest teilweise erfolgreicher Aufstand der Menschen in der Ukraine könnte im Übrigen auf Belarus und Russland abfärben.“

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