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Krieg in der Ukraine: Im Luxuswaggon durchs Kriegsgebiet – wie riskant sind Politiker-Reisen?

Krieg in der Ukraine

Im Luxuswaggon durchs Kriegsgebiet – wie riskant sind Politiker-Reisen?

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    Diese Woche in Kiew: Friedrich Merz lässt sich von Bürgermeister Vitali Klitschko informieren.
    Diese Woche in Kiew: Friedrich Merz lässt sich von Bürgermeister Vitali Klitschko informieren. Foto: Efrem Lukatsky, dpa

    Friedrich Merz im Schlafwagen. Ein schmales Bett mit strahlend weißer Wäsche, das Wandpolster in gediegenem Blau. Auf einem Tisch stehen Wasserflaschen. „Eine interessante Reise“, sagt Merz in die Kamera. Das Video ist bei Twitter zu sehen. Nichts an der Szene ist spektakulär. Dabei reist Merz doch durch ein Kriegsgebiet. Richtung Kiew.

    Die Front verläuft hunderte Kilometer weiter im Osten. Immer wieder schlagen aber auch Raketen im Westen ein, treffen Tanklager, Waffendepots – und Schienenstränge. Über den Kiew-Reisen westlicher Politiker liegt in diesen Kriegswochen deshalb stets ein Schleier der Geheimhaltung.

    Bei den "Pilgerfahrten" westlicher Politiker in die Ukraine geht es auch um Symbolik

    „Top Secret“ war vor allem die Reise von US-Außenminister Anthony Blinken und Pentagonchef Lloyd Austin Ende April. Ein deutscher Oppositionsführer ist weniger gefährdet. Merz weiß das und lehnte Personenschutz durch das Bundeskriminalamt ab. Seine Reise sollte die Botschaft von Normalität aussenden. So konnte er den Druck auf Kanzler Olaf Scholz erhöhen, endlich auch zu Wolodymyr Selenskyj zu fahren. Das zeigt aber eben auch, dass es bei den „Pilgerfahrten“ westlicher Politiker nach Kiew nicht zuletzt um Symbole geht.

    Wolodymyr Selenskyj empfing den britischen Boris Johnson kürzlich in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.
    Wolodymyr Selenskyj empfing den britischen Boris Johnson kürzlich in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Foto: Ukrainian Presidential Press Off

    Lebhaft in Erinnerung sind die Bilder des britischen Premiers Boris Johnson, der mit Selenskyj durch das Zentrum von Kiew spazierte, begleitet von schwer bewaffneten Soldaten. Den ultimativen Maßstab allerdings setzten die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien. Sie fuhren Mitte März als erste EU-Politiker per Zug nach Kiew und trafen sich im Bunker mit Selenskyj. Damals war das eine Sensation. Zumal noch russische Truppen die Stadt belagerten. Dazu passten die dramatischen Fotos. Ein ikonisches Bild zeigt, wie sich die Regierungschefs über eine Landkarte beugen. Als würden die Politiker selbst die richtige Route heraussuchen und nicht ihre Geheimdienste.

    Drei Regierungschefs beugen sich bedeutungsschwer über eine Landkarte

    Aber wie gefährlich und strapaziös sind diese Zugreisen wirklich? EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die drei Wochen nach der Ost-Troika zu Selenskyj fuhr, ließ sich im Abteil ablichten, wie sie lässig auf der breiten Lehne eines feudalen Ledersessels hockte.

    Den meisten prominenten Kiew-Reisenden dürfte es kaum an Bequemlichkeit mangeln. So enthüllten polnische Medien, dass die Osteuropäer im März in einem der Luxuswaggons reisten. Diese stammen zwar noch aus Sowjetzeiten, als sie hohen Parteikadern vorbehalten waren, wurden aber 2013 modernisiert. Zur Ausstattung gehören eine moderne Küche, ein Konferenzraum für zehn Personen sowie eine „Königssuite“ mit 1,60 Meter breitem Bett, eigener Toilette und sogar mit Bad samt Dusche.

    Den Komfort kann ermessen, wer einmal im klassischen Vier-Personen-Abteil eines regulären ukrainischen Nachtzugs unterwegs war. Etagenpritschen ersetzen dort die Betten. Auf den Gemeinschaftstoiletten können sich Passagiere an winzigen Waschbecken frisch machen. Wenn das Wasser läuft. In den ersten Kriegswochen drängten sich in solchen Zügen tausende Flüchtlinge mit Kindern und Haustieren. Die ukrainische Bahngesellschaft versichert, dass „alle Waggons auch der Luxusklasse zur Evakuierung zur Verfügung stehen“. Nur: Reist damit ein Staatsgast, sind die Züge blockiert.

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