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Krieg in der Ukraine: Glaubt der Westen noch an den Sieg?

Kommentar

Glaubt der Westen noch an den Sieg der Ukraine?

Margit Hufnagel
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    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wollte sich am Samstag mit den westlichen Regierungschefs treffen.
    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wollte sich am Samstag mit den westlichen Regierungschefs treffen. Foto: Efrem Lukatsky, dpa

    Die Hurrikan-Saison verheißt selten etwas Gutes für die Menschen in Florida. Schon viel zu häufig haben die Stürme eine Spur der Verwüstung in den amerikanischen Küstengebieten hinterlassen. Insofern ist es leidig, zu viel in die durcheinandergewirbelten Deutschlandpläne von Joe Biden hineinzuinterpretieren. Wenn dem eigenen Land eine Katastrophe droht, dann sollte der Präsident bei seinen Landsleuten sein. Und doch dürfen die Folgen der stornierten Reisediplomatie als Symbol gesehen werden: Sitzen die Amerikaner nicht mit am Tisch, ist eine Ukraine-Konferenz, wie sie am Samstag in Ramstein stattfinden sollte, Makulatur. Auf einen „historischen Moment“ hoffte der ukrainische Präsident Selenskyj auf dem US-Stützpunkt in Rheinland-Pfalz – er wird sich gedulden müssen. Und das im Wissen, dass womöglich bald ein ganz anderer Hurrikan über die USA ziehen wird: Donald Trump.

    Dass die Zukunft der Ukraine nicht zu seinen Top-Prioritäten zählen wird, hat der Republikaner wiederholt klargemacht. Für die Europäer könnte das heißen, dass sie bald ohnehin allein an ihren runden Tischen sitzen würden. Und für sich und alle anderen ehrlich viele schwierige Fragen beantworten müssen: Wie soll es weitergehen zwischen Lemberg und dem Donbass? Glauben wir noch daran, dass die Fortsetzung dieses Krieges Sinn macht, weil es eben um mehr geht als um Bodengewinne? Oder ist die Kraft des Westens an ihr Ende geraten? Ist Europa bereit, die Verantwortung zu schultern und auch ohne einen starken Partner in Washington die eigenen Werte zu vertreten?

    Die militärische Lage ist angespannt

    Die militärische Lage der Ukrainer ist aktuell alles andere als rosig. Zwar wird sich das Tempo der russischen Offensive aller Voraussicht nach im Herbst allmählich verlangsamen, doch zuletzt hatte die Armee von Wladimir Putin immer schnellere Geländegewinne erzielt. Drohnenschwärme überziehen immer wieder den Osten des Landes, eine echte Atempause ist kaum zu erwarten.

    Auch deshalb drängt der ukrainische Präsident immer vehementer, dass die eigenen Truppen weitreichende Waffen bis tief in russische Regionen hinein einsetzen können. Berlin und Washington verweigern die Zustimmung und enthalten Kiew damit eine wichtige Fähigkeit vor: Wären wichtige russische Militärstrukturen Angriffen ausgesetzt, würde die Logistik Moskaus zumindest ins Schleudern geraten. Den Feind zu schwächen ist – auch wenn immer mit einem Risiko verbunden – eine der wichtigsten Strategien im Krieg. Wer das den Ukrainern verweigert – und es mag Gründe dafür geben – muss zumindest erklären, wie ein anderer Weg aussehen könnte. Weiter allein auf Abnutzung zu setzen, ist fast drei Jahre nach Ausbruch der Kämpfe keine wirklich gute Alternative.

    Auch ein Frieden wird den Westen viel kosten

    Auch die Überlegung, dass Selenskyj auf einen Teil der verlorenen Gebiete verzichtet und dafür eine Nato-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt bekommt, ist bislang reine Theorie. Weder Selenskyj, noch Putin haben in Interesse daran. Und selbst wenn aufgrund eines solchen Deals dem Sterben auf den Schlachtfeldern endlich ein Ende gesetzt wäre (was ohne Frage das oberste Ziel sein muss), sollten sich die Europäer nicht täuschen: Nur mit einer personell und materiell hochgerüsteten Ostgrenze wäre sichergestellt, dass der Kreml nicht erneut seine Männer schickt. So oder so muss sich der Westen darauf einstellen, dass die eigene Sicherheit in den kommenden Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten gewaltige Mittel und viele Überlegungen erfordern wird. Denn in Trümmern liegen nicht nur die ukrainischen Städte, sondern auch das Vertrauen in ein Russland, für das internationale Vereinbarungen keine Rolle mehr spielen. Die Botschaft an die eigenen Gesellschaften muss deshalb so ehrlich sein: Ein echter Frieden wird uns viel abverlangen.

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    8 Kommentare
    Franz Xanter

    Man kann auch einfach mal zur Diskussion stellen: Mit solch derzeitigen Politikern, welche natürlich auch im Falle einer militärischen Auseinandersetzung Entscheidungsträger sowie Verantwortliche für ihr Volk wären, müsste dann zu rechnen sein. Was würde dies denn für DEU bei seinen politischen Verantwortlichen bedeuten?

    Jochen Hoeflein

    Es geht nicht darum, ob der Westen an den Sieg der UA nach Kiewer Vorstellungen glaubt, sondern ob der ehrgeizige Plan des UA Präsidenten realistisch ist. Im Grunde hat sich der Westen vor Ausbruch des Krieges in 2022 bereits damit abgefunden, dass die Krim unwiderruflich bei Ru bleibt. Das derzeitige Klingelputzen des UA Präsidenten bei europ. Ländern nachdem der groß angekündigte Termin in Ramstein geplatzt ist und damit auch die Zelebrierung des UA Siegesplanes hilft nur wenig. Keyplayer sind die USA, die Waffensysteme die eine Verbesserung der Lage für die UA Armee bringen könnten einfach zurückhalten bzw . nicht frei geben. Und schliesslich wird es eher zu einem Waffenstillstand nach Muster Korea kommen als zu einem Sieg nach Kiewer Vorstellungen. Und auch ein NATO Beitritt der UA mit voller Beistandsverpflichtung für mögliche zukünftige milit Auseinandersetzungen ist derzeit in weiter Ferne.

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    Franz Xanter

    Nach meiner Meinung eine notwendige kleine Korrektur: "... sich der Westen vor Ausbruch des Krieges ..." Nicht der Western, sondern die gezeigte Politik etlicher Politikerinnen und Politiker westlicher Staaten.

    Klara Rasper

    Die Frage ist wohl weniger glauben als wollen und koennen. Europa gab 2023 ca. 60% des US-Budgets fuer Militaer aus. Dazu muessen sich in Europa einige Regierungen abstimmen und liefern dann sehr unterschiedliche Ausruestung. Das laesst nicht viel Gutes erahnen. Weiter ist das China-Problem den USA wahrscheinlich viel naeher. zumal die Nachbarn von China nicht die Moeglichkeiten haben wie die Europaer.

    Jochen Hoeflein

    Ergänzung- Kein verantwortlicher Politiker kann einen Beitritt der UA zur NATO vor einem formell und vertraglich eindeutig von allen Vertragsparteien Waffenstillstand befürworten- schon aus Rücksicht auf die eigene Bevölkerung. Alles andere ist Wortglauberei und/oder Wunschdenken von hoffnungslosen Idealisten. Und so lange die USA da nicht ihr Placet geben, findet das sowieso nicht statt. Die Gefahr besteht , dass beim geringsten Grenzgeplänkel auch unter Fake Begleitumständen der große Krieg beginnt (beste Beispiele Irak Krieg oder Beginn der polnisch-deu Krieges Handlungen im WK 2).

    Raimund Kamm

    >>Denn in Trümmern liegen nicht nur die ukrainischen Städte, sondern auch das Vertrauen in ein Russland, für das internationale Vereinbarungen keine Rolle mehr spielen. Die Botschaft an die eigenen Gesellschaften muss deshalb so ehrlich sein: Ein echter Frieden wird uns viel abverlangen.<< Volle Zustimmung, Frau Hufnagel. Wir müssen in den kommenden Jahren hauptsächlich zweierlei machen: 1. RÜSTEN. Uns und die Ukraine rüsten, um das aggressive Putin-Russland abzuwehren. Das erfordert leider mehr Waffen. 2. DEMOKRATIE. Unermüdlich in unserer Gesellschaft unsere demokratischen Werte leben. Und den Feinden der Demokratie am politischen Rand - AFD wie BSW - widersprechen. Diese vergiften mit Populismus und Putinscher Propaganda unsere Gesellschaft. Raimund Kamm

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    Wolfgang Leonhard

    Herr Kamm, ich gebe Ihnen recht. Aber auch Sie werden vermutlich mittlerweile eingesehen haben, dass die ursprünglichen Kriegsziele Selenskis bis hin zur Rückeroberung der Krim nie realistisch waren. Es ging von Anfang an nur um einen möglichen Friedensschluss mit Schadensbegrenzung. Ein guter Zeitpunkt dafür wäre vor der dann gescheiterten ukrainischen Sommeroffensive im Jahr 2023 gewesen. Den hat man aber leider verpasst.

    Lothar Bock

    Ein Sieg der Ukraine war - unter den gegebenen Randbedingungen - schon immer unrealistisch. Trotz Waffenlieferungen kann die Ukraine mit seinen vor dem Krieg ca. 250 Tsd, jetzt rund 800 Tsd aktiven Soldaten, keine "Weltmacht" mit 1,3 Mio aktiven Soldaten (und 2 Mio Reservisten) und entsprechender Masse an Militärtechnik besiegen. Laut AA hat allein Deutschland knapp 34 Mrd an (Militär-)Hilfe für die Ukraine geleistet. Irgendwann muss sich die Regierung fragen bzw. sich gegenüber dem Steuerzahler rechtfertigen - ob diese Unterstützung noch gerechtfertig ist, wenn im eigenen Land die Mittel für viele eigene Projekte knapp bzw. gekürzt werden, und wenn sich an der Konflitksituation nichts ändert. Also: Soll der Status Quo quasi ewig weitergehen, lässt man die Ukraine hängen oder lotet man nun doch verstärkt Verhandlungen zwischen beiden Länden aus? Oder muss man warten, bis Putin von alleine die Segeln streicht?

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