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Krieg in der Ukraine: Flüchtlingsexperte: "Ist erst der Anfang, was wir erleben"

Krieg in der Ukraine

Flüchtlingsexperte: "Ist erst der Anfang, was wir erleben"

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    Gerald Knaus ist Migrationsexperte. Den Schlüssel zum Erfolg sieht er aktuell in den freiwilligen Helferinnen und Helfern.
    Gerald Knaus ist Migrationsexperte. Den Schlüssel zum Erfolg sieht er aktuell in den freiwilligen Helferinnen und Helfern. Foto: Francesco Scarpa

    Herr Knaus, zehntausende Menschen aus der Ukraine kommen gerade als Flüchtlinge in Deutschland an. Die Hilfsbereitschaft vieler Privatpersonen ist gigantisch. Aber brauchen wir nicht mehr staatliche Organisation?

    Gerald Knaus: Die freiwilligen Helfer sind gerade der Schlüssel zum Erfolg – und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen und in anderen Ländern. Aber es geht natürlich trotzdem nicht ohne staatliche Strukturen. Denn: Die Zahlen werden weiter steigen. Die freiwilligen Helfer müssen also dringend vom Staat unterstützt werden, das haben wir während der Flüchtlingskrise des Jahres 2015 gelernt. Sonst sind irgendwann alle erschöpft. Und leider ist es kein Sprint, der vor uns liegt, sondern ein Marathon. Die Menschen, die wir aufnehmen, werden nicht so bald in ihre zerstörten Städte zurückkehren können.

    Ohne engagierte Menschen geht also nichts?

    Knaus: Es ist viel besser, wenn Ukrainerinnen und Ukrainer bei Familien, in Privathaushalten aufgenommen werden, als wenn sie in Lager kommen. Aber es wird nicht reichen, sich nur auf die Zivilgesellschaft zu verlassen – das ist in Deutschland aber auch jedem klar. Der wichtigste Schritt der letzten Tage war, dass die EU-Regierungen die Rechtslage klargestellt haben. So erhalten die Geflüchteten eine Aufenthaltsgenehmigung, ohne einen Asylantrag stellen zu müssen. Nun müssen weitere Schritte folgen. Innerhalb von zwölf Tagen haben sich zwei Millionen Menschen auf den Weg gemacht. Das ist bei weitem die schnellste und größte Flüchtlingsbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Und das ist erst der Anfang, was wir da erleben.

    Werden die Menschen längerfristig in Deutschland bleiben?

    Knaus: Wenn Wladimir Putin diesen Krieg gewinnt, ist es fast ausgeschlossen, dass die Menschen in ihre Heimat Ukraine zurückkehren. Sein Projekt ist die Zerstörung der ukrainischen Identität. Er will keine gegen Russland gerichtete Ukraine. Da er jetzt – offenbar zu seiner Überraschung – bemerkt, dass es sehr wohl eine starke ukrainische Identität gibt, dass sogar die mehrheitlich russischsprachigen Städte Charkiw oder Odessa sich gegen seine Invasion und für ihre Demokratie mobilisieren, setzt er auf die Vertreibung der Menschen. Wenn Putin nicht gestoppt wird, müssen wir fürchten, dass die Zahl der Menschen, die vertrieben werden, so groß sein wird wie die Zahl der Syrer, die aus ihrem Land geflüchtet waren.

    Syrien gilt als „Vorbild“ ...

    Knaus: In Syrien wurden die Menschen aus den gleichen Gründen mit den gleichen barbarischen Mitteln vertrieben wie jetzt in der Ukraine. Der syrische Präsident Baschar al-Assad wollte die Menschen, die er durch die Zerstörung ganzer Städte vertrieb, nicht mehr in seinem Land haben, aus Angst, sie könnten ja in Zukunft Widerstand leisten. Das sehen wir jetzt auch an der brutalen Kriegsführung von Putin. In den Städten werden Wohngebiete angegriffen, die soziale Infrastruktur wird zerstört, Krankenhäuser werden zum Ziel. Zugleich gehen in Russland selbst immer mehr Lichter aus, die Repressionen nehmen zu, es gibt keinerlei Meinungsfreiheit mehr. Wenn das auch in einer von Putin beherrschten Ukraine droht, dann werden die Ehemänner und Väter derjenigen, die das Land schon verlassen haben, nachkommen.

    Zur Person:Gerald Knaus ist Soziologe und Migrationsforscher. Er kommt aus Österreich.

    Alle Informationen zur Eskalation erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

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