Russische Kampfjets rammen eine US-Drohne über dem Schwarzen Meer. Der unbemannte Aufklärer stürzt ab. All das geschieht im internationalen Luftraum. Weltweit laufen die Ticker heiß: Droht sich der russische Angriffskrieg in der Ukraine zu einer Konfrontation der Weltmächte auszuwachsen? Wer da nicht ganz genau hinhörte, hat womöglich unruhige Stunden verbracht. In Wirklichkeit zeigte schon die erste Reaktion aus Washington, dass die USA direkt auf Deeskalation schalteten. Die Formel vom „unprofessionellen Verhalten“ der russischen Piloten hatte das erkennbare Ziel, den Vorwurf eines absichtlichen Angriffs zu vermeiden. Zugleich suchte die US-Regierung sofort den Kontakt mit Moskau.
Akut droht keine Eskalation zwischen den Atommächten
Akut drohte also keine Eskalation. Dennoch ist es wichtig zu ermitteln, was geschehen ist. Haben die Jets die Drohne zum Absturz gebracht, wie das US-Militär behauptet? Wenn ja: War das beabsichtigt? Dafür spricht, dass die Piloten offenbar Treibstoff über dem Aufklärer abgelassen haben, um die Technik zu stören. Oder war die Drohne doch nur den Flugmanövern nicht gewachsen? So deutet Moskau das Geschehen, nicht ohne den US-Einsatz als Provokation zu werten. Die Drohne habe Material gesammelt, um das ukrainische Militär mit Informationen zu füttern, heißt es im Kreml. Das dürfte so gewesen sein. Neu ist das allerdings nicht. Es ist bekannt, dass die USA und ihre Partner die Ukraine nicht nur mit Waffen und militärischer Ausbildung unterstützen, sondern auch mit Geheimdienstinformationen. All das ist vom Völkerrecht gedeckt, da es sich eindeutig um einen Verteidigungskrieg handelt.
Eine gezielte Attacke auf die US-Drohne wäre nicht gerechtfertigt
Umgekehrt gibt es keine Rechtfertigung, wenn Russland die Drohne im internationalen Luftraum gezielt vom Himmel geholt haben sollte. Doch die juristischen Fragen sind, überspitzt formuliert, graue Theorie. In der Praxis scheint der Zwischenfall am Rand der Kampfzone all jenen recht zu geben, die seit Monaten vor einer „Rutschbahn in den Weltkrieg“ warnen. Die eine wachsende Eskalationsgefahr fürchten, weil in der Ukraine immer schwerere und technisch ausgefeiltere Waffen zum Einsatz kommen. Das erhöhe nicht zuletzt das Risiko einer „zufälligen“ Konfrontation zwischen Russland und dem Westen.
Die Gefahr einer ungewollten Eskalation besteht durchaus. Andererseits weiß das niemand so gut wie die militärischen Führungen in Washington und bei der Nato in Brüssel. Nicht von ungefähr achten die USA und ihre Partner bei den Waffenlieferungen an die Ukraine seit Kriegsbeginn penibel darauf, Angriffe auf russisches Territorium zu vermeiden. Die Reichweite der amerikanischen Hilmars-Raketenwerfer zum Beispiel wurde mit technischen Mitteln begrenzt. Buchstäblich, aber auch im weiter gefassten politischen Sinn – Stichwort: Die Befreiung der Krim. Solche Verfahren sollen garantieren, dass die Führung in Kiew nicht über das Ziel hinausschießt. Bislang hält sich die Ukraine an alle Absprachen.
Keine Frage: Der Zwischenfall über dem Schwarzen Meer wirft ein grelles Schlaglicht auf die Gefahren, die der russische Angriffskrieg in der Ukraine über die Region hinaus birgt. Die USA und ihre Partner bewegen sich dabei auf einem extrem schmalen Grat. Denn die Maßgabe, nicht Kriegspartei zu werden, hängt nicht nur vom eigenen Verhalten ab, sondern entscheidend auch vom Willen des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Was also tun? Natürlich könnte der Westen seine Unterstützung für die Ukraine einstellen und das Land dem Aggressor preisgeben. Das jedoch kann schon deshalb keine ernsthafte Alternative sein, weil Putin in der Ukraine nicht haltmachen würde. Neue Enthüllungen zeigen, dass der Kreml längst den imperialen Zugriff auf die Republik Moldau plant.
Putin stoppen und eine Eskalation vermeiden: Das muss das Ziel bleiben. Wer behauptet, der Weg dorthin sei leicht, irrt oder belügt sich und andere.