Für Ajatollah Ali Khamenei ist die Sache einfach. Am russischen Krieg gegen die Ukraine sei Amerika schuld, sagt der iranische Revolutionsführer. Damit liegt Khamenei auf einer Linie mit dem syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad, der den russischen Angriff auf die Ukraine als „historische Korrektur“ begrüßt. Auch die Hisbollah im Libanon steht an Russlands Seite. Selbst Partner des Westens im Nahen Osten bringen Verständnis für Wladimir Putins Angriffskrieg auf. Dahinter stecken wirtschaftliche und politische Überlegungen.
US-Verbündete in der Golf-Region wollen sich nicht festlegen
Dass erklärte Feinde des Westens wie Khamenei, Assad und die Hisbollah die russische Haltung unterstützen, ist nicht überraschend. Doch auch wichtige US-Verbündete in der Golf-Region wollen sich nicht in die antirussische Front der Amerikaner und Europäer einreihen. Der starke Mann der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Mohammed bin Zayed, sagte Putin vor zwei Tagen in einem Telefonat, eine Lösung des Konflikts müsse die Sicherheitsinteressen aller Beteiligten gewährleisten. Vorige Woche enthielten sich die VAE im UN-Sicherheitsrat der Stimme, als es darum ging, den russischen Angriff zu verurteilen. Auch Katar beschränkt sich darauf, alle Seiten zur Zurückhaltung aufzurufen.
Saudi-Arabien hält sich ebenfalls raus. Das Kabinett in Riad erklärte lediglich, das Königreich unterstütze „internationale Bemühungen um eine Deeskalation“. Saudi-Arabien und die VAE lehnen die amerikanische Forderung ab, mehr Öl zu fördern, um den weltweiten Preisanstieg zu dämpfen. Die Saudis und die Emirate arbeiten mit Russland in der Gruppe der weltweit wichtigsten Ölproduzenten (Opec-Plus) zusammen. Ägypten, Empfänger millionenschwerer amerikanischer Militärhilfe, forderte eine möglichst rasche Beilegung des Ukraine-Konflikts. Das Land mit seinen mehr als 100 Millionen Einwohnern hängt von Getreide-Importen aus der Schwarzmeer-Region ab.
Das Nato-Mitglied Türkei, das viel Gas und Öl aus Russland erhält, stellt sich verbal zwar auf die Seite der Ukrainer, will sich an Sanktionen gegen Moskau aber nicht beteiligen.
Als eines der wenigen Nahost-Länder kritisierte der Libanon den russischen Einmarsch in scharfen Worten. Das Außenministerium in Beirut verurteilte den Angriff auf die Ukraine als „Invasion“ und forderte den Rückzug der russischen Truppen. Doch die libanesische Regierung spricht nicht mit einer Stimme: Das Außenministerium handelte sich Ärger mit den Vertretern der iranisch finanzierten Hisbollah-Miliz im Kabinett ein. Wie die Führung in Teheran gibt Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah den USA die Schuld am Krieg.
Warum sich Israel mit Aussagen zum Krieg in der Ukraine zurückhält
Selbst Israel, der engste Partner von USA und Europa in der Region, hält sich mit Kritik an Putin zurück. Russland, das im israelischen Nachbarland Syrien die Lufthoheit besitzt, duldet israelische Luftangriffe auf iranische Militärstellungen auf syrischem Boden. Israel nimmt daher viel Rücksicht auf russische Interessen. Schon im vergangenen Jahr weigerte sich der jüdische Staat, die Spionage-Software Pegasus an die Ukraine zu liefern. Wie ein ukrainischer Regierungsvertreter der New York Times sagte, verzichtete Kiew vor dem Krieg darauf, Israel offiziell um die Lieferung des Flugabwehrsystems „Iron Dome“ zu bitten: Die ukrainische Führung war demnach sicher, dass Israel ohnehin ablehnen werde.
Dass Partner des Westens in der Region so nachsichtig auf den russischen Angriff reagieren, liegt zum Teil am Rückzug der USA aus dem Nahen Osten. Präsident Joe Biden will sich auf die geopolitische Auseinandersetzung mit China konzentrieren. Russland dagegen präsentiert sich seit Beginn seiner Intervention im Syrien-Krieg als neue Nahost-Macht. Auch im Libyen-Konflikt mischt Moskau mit.