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Krieg in der Ukraine: Die Ukraine setzt Streumunition ein – CDU-Experte: Versagen des Westens

Krieg in der Ukraine

Die Ukraine setzt Streumunition ein – CDU-Experte: Versagen des Westens

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    Ukrainische Soldaten stehen in der Nähe ihres Schützenpanzers in der Nähe von Bachmut.
    Ukrainische Soldaten stehen in der Nähe ihres Schützenpanzers in der Nähe von Bachmut. Foto: Alex Babenko, dpa

    17 Monate. 513 lange Tage. So lange dauert der Krieg in der Ukraine bereits. Tausende Tote auf beiden Seiten, zerstörte Orte und Straßen, Hunderttausende auf der Flucht. Die Gegenoffensive im Süden des Landes hat sich zu einem brutalen Abnutzungskampf gegen die russischen Truppen entwickelt. Seit Anfang Juni haben die Ukrainer laut Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar 210 Quadratkilometer eigenen Bodens befreit. Zum Vergleich: Russland hält einschließlich der Krim mehr als 100.000 Quadratkilometer ukrainischen Territoriums besetzt. Bei diesem Tempo würde die Rückeroberung aller Gebiete mehr als 60 Jahre in Anspruch nehmen.

    Umso größer ist die Hoffnung, die Präsident Wolodymyr Selenskyj in eine neue Waffe setzt: Seit dieser Woche nutzt die Ukraine Streumunition. International ist der Schritt mehr als umstritten. Unterstützung erhält Kiew aus den USA, Washington liefert die entsprechende Munition. "Sie setzen sie angemessen ein, sie setzen sie effektiv ein", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der US-Regierung, John Kirby. Der Einsatz der Streumunition wirke sich bereits auf russische Verteidigungsstellungen und Offensivmanöver aus. In der Bundesregierung bemüht man sich um einen zurückhaltenden Ton. Auch, weil Berlin ein Abkommen unterzeichnet hat, das Streumunition weltweit ächten soll. Es ist seit dem 1. August 2010 in Kraft und ist eine Lehre aus anderen Kriegen. Doch weder die USA noch Russland oder die Ukraine sind Teil dieses sogenannten Oslo-Übereinkommens.

    Darum sind Streubomben so heimtückisch

    Streubomben zerbersten in der Luft und werden zu hunderten kleineren Bomben. Die Explosionskraft ist hoch, deshalb gilt die Waffe als effektiv. Außerdem verteilt sich eine einzelne Salve der Sprengkörper auf ein großes Gebiet. Das heimtückische an Streumunition ist, dass eine vergleichsweise hohe Anzahl der kleinen Sprengkörper nicht direkt explodiert, sondern als Blindgänger liegen bleibt. Das macht sie über Jahrzehnte zu einer Gefahr, unter anderem für spielende Kinder oder Landwirte. Die USA setzten Streumunition im Vietnamkrieg ein, Israel im Kampf mit dem Libanon. Auch in Syrien und in Afghanistan kam das Kampfmittel zum Einsatz. Es wird zudem vermutet, dass Russland Streubomben im Ukraine-Krieg bereits nutzt. Amnesty International warf Putins Streitkräften schon im Juni 2022 vor, in der Stadt Charkiw durch Streumunition zahlreiche Zivilisten getötet zu haben, "während sie mit ihren Kindern Spielplätze besuchten, auf Friedhöfen ihrer Angehörigen gedachten, beim Anstehen für Hilfslieferungen oder beim Einkaufen". Allein bis August 2022 meldete die Hilfsorganisation "Handicap International" fast 700 Streubombenopfer in der Ukraine.

    Der Rest einer Streubombe ist nach einem Angriff zu sehen.
    Der Rest einer Streubombe ist nach einem Angriff zu sehen. Foto: Anas Alkharboutli, dpa

    Während Bundeskanzler Olaf Scholz sich mit einer öffentlichen Wertung zurückhält, kommt aus der CDU und von Experten aber auch Unterstützung für den Schritt der Ukraine. "Der Einsatz von Streumunition durch die Ukraine in den Kampf-Gebieten wie jetzt um Bachmut ist militärisch sinnvoll, legitim und für die Ukraine legal, da sie das Oslo-Übereinkommen zur Ächtung der Munition nicht unterschrieben hat", argumentiert der Militärexperte der Union, Roderich Kiesewetter. Für ihn ist das Thema eine Frage der Verhältnismäßigkeit. So argumentiert auch Kiew: Diese Waffen würden dringend zur Verteidigung gegen den bereits seit 17 Monaten andauernden russischen Angriffskrieg und zur Befreiung besetzter Gebiete gebraucht. "Die Ukraine setzt Streumunition auf eigenem Gebiet nur an der Front ein. Gebiete, die ohnehin durch Russland vermint sind und durch russische Cluster-Munition für lange Zeit unbewohnbar sind", sagt Kiesewetter.

    Ukraine gerät mit ihren militärischen Mitteln an die Grenze

    Auch Joachim Krause, Leiter des Instituts für Sicherheitspolitik in Kiel, unterstreicht: "Unter den gegebenen Bedingungen sehe ich keine Probleme mit dem Einsatz von Streumunition durch die Ukraine." Clusterbomben seien dann problematisch, wenn sie in einer Umgebung eingesetzt würden, in der sich Zivilisten in der Nähe befinden oder, noch schlimmer, wenn diese gegen zivile Ziele eingesetzt werden. "Was die Ukraine betrifft, so wird Streumunition zum Aufbrechen russischer Verteidigungsstellungen genutzt und sie wird nicht in einer Umgebung eingesetzt, in der sich Zivilisten befinden", sagt Krause. "Offenkundig reicht traditionelle Artilleriemunition qualitativ und quantitativ nicht aus, um die russischen Verteidigungsstellungen zu durchbrechen und die Ukraine befindet sich in einem Verteidigungskrieg gegen einen Angreifer, der bereits mehrfach Streumunition auch gegen zivile Ziele eingesetzt hat."

    Wie hoch die Rate der Blindgänger ist, ist um stritten. Kiesewetter sprich im Fall der gelieferten Munition von unter drei Prozent, Menschenrechtsorganisationen fürchten, dass sie im zweistelligen Bereich liegen könnte. "Ich würde mir dasselbe Maß an Empörung und dieselbe Diskussion wünschen, wenn es um Russland geht", sagt Kiesewetter, selbst Oberst a.D.. "Denn Russland setzt nicht nur diese von Deutschland abgeschaffte Munition tausendfach gegen die ukrainische Zivilbevölkerung ein, sondern auch Brandbomben und thermobare Waffen." Thermobare Waffen sind sogenannt Vakuum-Bomben, gefüllt mit einer brennbaren Flüssigkeit und einer enormen Verpuffung.

    Roderich Kiesewetter kritisiert Haltung des Westens

    Für die Ukraine sind die Streubomben eine große Hoffnung in der schleppend verlaufenden Offensive. Ausgebremst werden die Truppen gerade vor allem durch ausgedehnte Minenfelder, die von russischer Artillerie und gut verschanzter Infanterie bewacht werden. Das Gefechtsfeld leuchten Drohnen aus. Russische Hubschrauber schießen mit Raketen auf sich nähernde Panzerfahrzeuge.

    Dass es überhaupt so weit kommen musste, sieht Kiesewetter auch in der Verantwortung des Westens. "Unsere Glaubwürdigkeit ist dadurch gefährdet, dass wir aus dem warmen Sessel mit dem moralischen Zeigefinger ein brutal angegriffenes Land belehren, das völkerrechtswidrig von Russland überfallen wurde und um seine Existenz kämpft, und wir weiterhin zögern und zu wenig tun, damit die Ukraine ihr Staatsgebiet befreien kann", sagt er.

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