Die Liste der „militärischen Unterstützungsleistungen für die Ukraine“ ist lang und wird von Kühlschränken angeführt. 67 Stück hat Deutschland in das Kriegsgebiet geliefert, und man mag sich in einem ersten Reflex darüber amüsieren. Aber natürlich dienen die Kühlschränke einem ernsten Zweck, in diesem Fall sollen sie Sanitätsmaterial auf Temperatur halten. Der Rest der Liste hingegen hört sich unzweifelhaft nach Krieg an. 24 Flakpanzer vom Typ Gepard, tausende Panzerabwehrminen, viele Millionen Schuss Munition, je 100.000 Handgranaten und Schlafsäcke, 100 Kilometer Sprengschnur nebst Sprengkapseln und einiges Kriegsgerät mehr lieferte Berlin bisher nach Kiew.
Die Ampel-Koalition streitet nun um das, was nicht auf der Liste steht: moderne schwere Panzer westlicher Bauart. Die SPD mit Kanzler Olaf Scholz an der Spitze lehnt das ab. Grüne und Liberale hingegen sind tendenziell dafür. „Es ist die Zeitenwende von Olaf Scholz. Unsere Partner erwarten ihre Umsetzung und die Übernahme einer Führungsrolle Deutschlands“, sagte der FDP-Verteidigungsexperte Marcus Faber unserer Redaktion.
Faber rief die Sozialdemokraten dazu auf, ihren Kanzler zu unterstützen. „Dazu müssen sich einige in der SPD jetzt erst noch durchringen“, erklärte der FDP-Abgeordnete, der Mitglied im Verteidigungsausschuss ist. Bei der SPD jedoch gibt es eine rote Linie. „Kein Land liefert gerade westliche Kampfpanzer“, sagt etwa der Parteivorsitzende Lars Klingbeil. Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) vertreten exakt diese Haltung und lehnen „deutsche Alleingänge“ ab. Dahinter steckt die Sorge, Deutschland könne durch die Lieferung von todbringenden Kampfmaschinen wie dem Leopard 2 zur Kriegspartei und damit zum Ziel russischer Waffen werden.
"Deutschland wird nicht Kriegspartei"
Faber bewertet die Situation anders. „Durch die Lieferung von Panzern wird man nicht zur Kriegspartei, und Deutschland liefert bereits Panzer“, sagte der FDP-Politiker. „Unsere Gepard-Panzer tragen schon heute zur Verteidigung der Ukraine bei. Jetzt geht es nur darum, mehr zu tun, auch mit dem Schützenpanzer Marder, um die Invasionstruppen zurückzuwerfen.“
Ob und wie lange die SPD dem Druck der beiden Koalitionspartner standhält, ist offen. Sie wird bei ihrem Nein zu den ganz schweren Waffen auch von der Sorge um die Einsatzfähigkeit der Truppe getrieben. „Landes- und Bündnisverteidigung first“, bekräftigte Scholz gerade erst vor zahlreichen Militärs bei der Bundeswehrtagung 2022. Die Landes- und Bündnisverteidigung sei der Kernauftrag der Bundeswehr.
Lambrecht hatte bereits im Frühjahr im Interview mit unserer Redaktion erklärt, die Bundeswehr sei bei Lieferungen an die Ukraine an ihre Grenze gestoßen. Christian Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, reagierte verwundert. Auf einmal könne Lambrecht doch zwei Mehrfachraketenwerfer und 50 gepanzerte Fahrzeuge vom Typ Dingo liefern, erklärte er mit Blick auf die jüngsten Ankündigungen aus dem Bendlerblock und ergänzte: „Also irgendetwas stimmt hier nicht.“
Bundeswehr stößt an ihre Grenzen
Für das Verteidigungsministerium hingegen stimmt alles. „Die Aussage, dass wir hier an Grenzen kommen, die besteht weiterhin“, erklärte ein Sprecher am Montag. Wenn überhaupt aus Beständen der Bundeswehr und nicht aus denen der Industrie geliefert werde, handele es sich um „Einzelmaterial“. In jedem Fall werde genau abgewogen, „ob wir noch unseren Verpflichtungen nachkommen, ob wir die Verteidigung der Bundesrepublik im Verbund mit unseren alliierten Partnern in der Nato noch weiter gewährleisten können.“ So wird die Bundeswehr „trotz der angespannten eigenen Materiallage“ der Ukraine vier weitere Panzerhaubitzen 2000 liefern, wie Lambrecht am Montag bekanntgab.
Am Donnerstag (15.30 Uhr) will der Bundestag über einen Antrag der Unionsfraktion beraten. Er trägt den Titel „Frieden und Freiheit in Europa verteidigen – Ukraine jetzt entschlossen mit schweren Waffen unterstützen“ – und könnte die Koalition ein Stück weit in die Defensive treiben.