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Krieg in der Ukraine: Bundeswehr liefert Waffen – Entspannung zwischen Kiew und Berlin

Krieg in der Ukraine

Bundeswehr liefert Waffen – Entspannung zwischen Kiew und Berlin

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    Eine Panzerhaubitze 2000 der Bundeswehr.
    Eine Panzerhaubitze 2000 der Bundeswehr. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Es ist ein Novum in der Geschichte der Bundeswehr und ein überraschender neuer Schritt in der von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufenen Zeitenwende-Ära: Die Ukraine kann im Kampf gegen die russischen Truppen mit sieben Panzerhaubitzen aus Deutschland rechnen. Die Bundesregierung kommt damit nach langem Zögern einem Wunsch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach. Auf diplomatischem Parkett gehen beide Länder ebenfalls aufeinander zu. Nachdem Selenskyj seine Differenzen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Telefonat beigelegt hat, ist der Weg für den Besuch eines deutschen Regierungsmitglieds in Kiew frei.

    Bei den Panzern des Typs 2000 handelt es sich nach Expertenangaben um moderne Artilleriesysteme, die bis zu einer Entfernung von 40 Kilometern präzise ins Ziel treffen. Die Lieferung von Munition ist eingeschlossen, die Bundeswehr übernimmt zudem bereits ab nächster Woche die Ausbildung ukrainischer Soldaten an der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein. Soweit die Fakten, die gleichzeitig einige Frage aufwerfen.

    Lambrecht: Bundeswehr nicht geschwächt

    Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte im Interview mit unserer Redaktion zunächst betont, dass die Truppe kein eigenes Material entbehren könne. Man sei an der Grenze der Belastbarkeit angelangt, jede Lieferung schwäche die Einsatzbereitschaft der deutschen Armee im In- und Ausland, erklärte die SPD-Politikerin. Die Panzerhaubitzen stammen jedoch aus Bundeswehrbeständen – anders als die bereits zugesagten Gepard-Flugabwehrkanonen, die von der Industrie geliefert werden. Offiziell erklärt Lambrecht den Schwenk nun damit, dass die Haubitzen aus der Instandsetzung kommen. Sie könne damit „gewährleisten“, dass die Bundeswehr nicht geschwächt werde, sagte die Ministerin am Rande eines Truppenbesuchs in der Slowakei. In Berliner Verteidigungskreisen wurde das mit Skepsis aufgenommen. Wenn ein Panzer in der Werkstatt stehe, werde er repariert, sei deswegen aber nicht überzähliges Stückgut, hieß es in der Koalition.

    Der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nad (l-r), die niederländische Verteidigungsministerin Kasja Ollongren, die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und der niederländische Lieutenant Colonel Patrick Wekking stehen vor Teilen eines Flugabwehrsystem Patriot.
    Der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nad (l-r), die niederländische Verteidigungsministerin Kasja Ollongren, die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und der niederländische Lieutenant Colonel Patrick Wekking stehen vor Teilen eines Flugabwehrsystem Patriot. Foto: Carsten Hoffmann, dpa

    Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte, dass die Bundeswehr „ihr Gerät selbst ganz dringend“ brauche. Die Panzerhaubitze 2000 sei für die Bundeswehr „ein sehr wertvolles Asset“. Gleichzeitig wolle Deutschland die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland unterstützen und da gelte es, die Balance zu wahren. Die Regierung halte es deshalb „für richtig und angemessen, sieben Panzerhaubitzen zu liefern“. Man müsse „mittelfristig natürlich überlegen, wie wir Ersatz schaffen“, sagte der Sprecher.

    Annalena Baerbock soll nach Kiew reisen

    Wann die Panzer in der Ukraine zum Einsatz kommen, ist offen. Das hängt zum einen davon ab, wie lange ihre Reparatur dauert. Zum anderen ist nicht absehbar, wie viel Zeit die Ausbildung der ukrainischen Panzerbesatzungen erfordert. Das sei von deren Vorkenntnissen abhängig, hieß es im Verteidigungsministerium. Bei der Bundeswehr dauert die Ausbildung demnach etwa 40 Tage.

    In der Zwischenzeit dürfte es den vielfach geforderten Besuch eines Mitglieds der Bundesregierung im Kriegsgebiet geben. Scholz hatte eine Kiew-Reise bislang abgelehnt und dies mit der Ausladung Steinmeiers durch Selenskyj begründet. Nachdem die beiden sich ausgesprochen haben, ist dieses Hindernis beseitigt. Der Kanzler will sich allerdings nicht auf den Weg machen. Er schickt Außenministerin Annalena Baerbock. Die Grünen-Politikerin hatte zuvor bereits erklärt, dass sie nach Kiew reisen will. Zum Termin macht das Außenamt aus Sicherheitsgründen keine Angaben.

    Wird Deutschland nun doch noch Kriegspartei?

    Scholz trifft dafür am Sonntag virtuell mit Selenskyj zusammen. Der Ukrainer nimmt an einer digitalen Schaltkonferenz der G7-Staaten zur Lage in der Ukraine teil, wie Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann mitteilte. Die G7 bestehen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Großbritannien und den USA, Deutschland hat in diesem Jahr die Präsidentschaft inne. Der Kanzler will sich am Sonntag außerdem mit einer Fernsehansprache ans Volk wenden. Am 8. Mai wird jährlich an das Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert.

    Die Stadt Mariupol in der Ostukraine ist inzwischen weitgehend unter russischer Kontrolle. Das deutsche Engagement im Ukraine-Krieg wächst. Wird Deutschland damit zum Kriegsteilnehmer?
    Die Stadt Mariupol in der Ostukraine ist inzwischen weitgehend unter russischer Kontrolle. Das deutsche Engagement im Ukraine-Krieg wächst. Wird Deutschland damit zum Kriegsteilnehmer? Foto: Alexei Alexandrov, AP/dpa

    Während das Verhältnis zwischen Berlin und Kiew offensichtlich besser wird, wächst gleichzeitig die Sorge, dass Deutschland mit zunehmendem Engagement als Kriegsteilnehmer wahrgenommen wird. Was die rechtliche Lage angeht, wähnt sich die Regierung auf der sicheren Seite. Man sei „weiterhin der Auffassung“, dass Deutschland durch die Waffenlieferungen nicht zur Kriegspartei werde, erklärte der Sprecher des Verteidigungsministeriums. Ob der russische Präsident Wladimir Putin das auch so sieht, weiß allerdings niemand. „Mit Blick auf subjektive Wahrnehmungen“, ergänzte der Sprecher, sei das „eine andere Fragestellung“.

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