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Krieg im Nahen Osten: Im Gazastreifen tobt der Kampf um die Hilfsgüter

Krieg im Nahen Osten

Im Gazastreifen tobt der Kampf um die Hilfsgüter

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    Palästinenser betrachten die Überreste von einem Wohnhaus, das bei einem israelischen Angriff im Gazastreifen zerstört wurde.
    Palästinenser betrachten die Überreste von einem Wohnhaus, das bei einem israelischen Angriff im Gazastreifen zerstört wurde. Foto: Hatem Ali, dpa

    Verzweifelte Menschen, die sich um Hilfskonvois drängen, Kinder mit ausgemergelten Gesichtern auf Krankenhausbetten: Die Berichte und Fotos aus dem umkämpften Gazastreifen werden immer dramatischer. Lokalen Ärzten zufolge sterben bereits kleine Kinder an Unterernährung. Laut einer Analyse des IPC (Integrated Food Security Phase Classification), einer Initiative internationaler Organisationen, könnte den 2,2 Millionen Menschen in Gaza bis Ende Mai eine Hungersnot drohen, wenn sich die Versorgungslage nicht schnell und drastisch verbessert. 

    Hilfsorganisationen werfen Israel vor, nicht genügend Lebensmittel in den Gazastreifen zu lassen. Israel besteht darauf, jeden Hilfskonvoi auf militärische Güter zu überprüfen. Helfer klagen, dass diese Sicherheitschecks wertvolle Zeit kosteten und Israel manche Lieferungen grundlos aufhalte. "Die Situation mit Hunger, Verhungern und Hungersnot ist eine Folge der umfassenden israelischen Beschränkungen bei der Einfuhr und Verteilung von humanitärer Hilfe und Handelsgütern, eine Folge der Vertreibung des größten Teils der Bevölkerung sowie der Zerstörung wichtiger ziviler Infrastruktur", sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk. "Das Ausmaß, in dem Israel die Einfuhr von Hilfsgütern in den Gazastreifen weiterhin einschränkt, sowie die Art und Weise, in der es die Feindseligkeiten fortsetzt, kann auf den Einsatz von Hunger als Kriegsmethode hinauslaufen, was ein Kriegsverbrechen darstellt."

    Hamas soll Hilfsgüter bewusst abgreifen

    Sprecher der israelischen Regierung und der Armee, der IDF, wiederum argumentieren, Israel erhebe keinerlei Beschränkungen für die Menge der Hilfsgüter; das Problem sei vielmehr deren Verteilung. Bislang war dafür in erster Linie UNRWA zuständig, das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge. Israel wirft dem Hilfswerk vor, zahlreiche Hamas-Unterstützer zu beschäftigen: „Angesichts des Ausmaßes der Unterwanderung der UNRWA durch die Hamas ist es kein Wunder, dass ein Teil der humanitären Hilfe zum Schaden der Zivilbevölkerung an dieser vorbei umgeleitet wird“, heißt es in einer offiziellen Mitteilung.

    Tatsächlich gibt es erhebliche Schwierigkeiten nicht nur bei der Lieferung, sondern auch der anschließenden Verteilung der Güter. In einer Umfrage des Palestinian Center for Policy and Research (PSR) in Ramallah, der von der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert wird, klagen 70 Prozent der Befragten, dass es bei der Verteilung von Hilfen durch UNRWA unfair zugehe. Zudem werden seit Wochen Vorwürfe laut, dass die Hamas Hilfsgüter an die eigenen Männer weiterleite oder teuer auf dem Markt verkaufe.

    Israel arbeitet einem Bericht des Wall Street Journals zufolge nun an einem Plan, einflussreiche Palästinenser in Gaza, etwa Anführer wichtiger Clans, mit der Verteilung von Hilfsgütern zu beauftragen. Aus diesen Personen könnte sich, so die Hoffnung, nach dem Ende des Krieges eine Führung für den Gazastreifen herausbilden.

    Kann Israel auf die Autorität von Clans im Gazastreifen setzen?

    Medienberichten zufolge haben sämtliche Clans, denen Israel ein solches Angebot unterbreitet hat, dieses jedoch abgelehnt. „Es ist eine Illusion, dass Israel mit Clans kooperieren könnte“, urteilt Michael Milshtein, Vorsitzender des Forums für Palästinenserstudien an der Universität von Tel Aviv. „Jeder in Gaza weiß: Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis man von der Hamas umgebracht werden würde.“ Tatsächlich ermordeten Hamas-Männer vergangene Woche Berichten zufolge bereits den Anführer des Doghmush-Clans in Gaza Stadt, offenbar, nachdem dieser mit Israel Kontakt hatte.

    „Die chaotische Situation in Gaza ist die Folge der israelischen Strategie der letzten zwei, drei Monate“, meint Milshtein. In dieser Phase reduzierte die IDF erheblich die Zahl der im Gazastreifen eingesetzten Soldaten und verlegte sich auf kleinere, gezieltere Einsätze. Doch damit, kritisiert Milshtein, lasse sich keines der erklärten Kriegsziele erreichen: weder den Kollaps des Hamas-Regimes noch die Befreiung der verbliebenen Geiseln. Und nur einen kleinen Teil des Gazastreifens, einen schmalen Streifen entlang der Grenze zu Israel, kontrolliere die IDF vollständig.

    Die Schwierigkeiten bei der Verteilung der Hilfsgüter sei denn auch eine logische Folge dessen, dass es für weite Teile Gazas keinen zuständigen Souverän gebe – und in naher Zukunft wohl auch nicht geben werde: „Ich sehe keine realistischen Ideen vonseiten der israelischen Entscheidungsträger“, sagt Milshtein. Für die Not leidenden Menschen in Gaza kann das nichts Gutes heißen: „Ohne verantwortlichen Akteur wird die humanitäre Notlage sich weiter verschlechtern.“

    Rafah wird für Israel zum Problem

    Dies dürfte auch deshalb gelten, weil die meisten Hilfslieferungen aktuell über den Grenzübergang Rafah im Süden des Gazastreifens kommen. Dort aber will Israel schon bald seine Bodenoffensive starten. Israel betont immer wieder, ohne eine Offensive in Rafah könne die Hamas nicht vollständig besiegt werden. Es sei eine militärische Notwendigkeit, die dort verbliebenen Bataillone der Hamas auszuschalten. Andernfalls könne sich die Terrororganisation nach Kriegsende neu formieren und wieder die Kontrolle über den Küstenstreifen übernehmen. Außerdem werden im Tunnelsystem die Hamas-Führungsspitze, deren Tötung Israel gelobt hat, sowie die am 7. Oktober verschleppten Geiseln vermutet, von denen noch etwa hundert am Leben sind. Doch Israels internationale Partner, unter anderem Deutschland, warnen die israelische Regierung davor, mit der Offensive den Tod von noch mehr Zivilisten zumindest billigend in Kauf zu nehmen. Tausende Flüchtlinge halten sich inzwischen in dem Grenzort auf, die Möglichkeit, das Gebiet zu evakuieren, ist beschränkt.

    Militärisch sehen Experten eine Offensive in Rafah hingegen als weniger kompliziert als zuvor in der Stadt Chan Junis, wo sich Elite-Einheiten der Hamas verschanzt hatten. Zudem sei die Bevölkerung in Rafah eher mit Familienclans verbunden und weniger mit extremistischen Organisationen, schrieb Avi Issacharoff in der Zeitung Jediot Achronot. Daher gebe es die Hoffnung, "dass eine Militäroperation in Rafah auf weniger Widerstand stößt".

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