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Krieg im Nahen Osten: Das schwierige Ringen der Diplomaten

Krieg im Nahen Osten

Das schwierige Ringen der Diplomaten

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    Israelische Demonstrantinnen hoffen auf einen Deal zwischen der Regierung und der Hamas.
    Israelische Demonstrantinnen hoffen auf einen Deal zwischen der Regierung und der Hamas. Foto: Tsafrir Abayov, dpa

    Liri Albag war zum Zeitpunkt ihrer Entführung 18 Jahre alt. Na’ama Levi 19. Die Fotos der jungen Frauen, lachend und sorglos, kleben an unzähligen Hauswänden, Bushaltestellen und Schaufenstern in Tel Aviv. Seit über zehn Monaten harren Liri, Na‘ama und viele andere nun schon in der Gewalt der Hamas im Gazastreifen aus – sofern sie überhaupt noch am Leben sind: Schätzungen zufolge sind über die Hälfte der 115 verbliebenen Geiseln tot. Und es könnten noch mehr werden, fürchten die verzweifelten Familien, wenn es in den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas nicht bald zum Durchbruch kommt.

    Die aktuellen Bemühungen der Vermittlerstaaten USA, Katar und Ägypten gelten als womöglich letzte Chance, eine Einigung zu erreichen „Dies ist ein entscheidender Moment, wahrscheinlich der beste, vielleicht die letzte Gelegenheit, die Geiseln nach Hause zu bringen, eine Waffenruhe zu erzielen und alle auf einen besseren Weg zu dauerhaftem Frieden und Sicherheit zu bringen“, sagte US-Außenminister Antony Blinken während seines Besuchs in Israel. „Es ist Zeit, dass alle Ja sagen und nicht nach Ausreden suchen, um Nein zu sagen.“

    Philadelphi-Korridor als Streitpunkt

    Berichten der Unterhändler in Kairo zufolge ist es vor allem ein Punkt, der einem Kompromiss entgegensteht: Die Frage, wer im Fall einer Waffenruhe den sogenannten Philadelphi-Korridor kontrollieren soll, einen schmalen Streifen Land entlang der 14 Kilometer langen Grenze zwischen Gaza und Ägypten. Israels Armee, die IDF, hatte den Korridor im Mai erobert, einschließlich der palästinensischen Seite des Rafah-Grenzübergangs. Die IDF hat seitdem Dutzende Tunnel im Grenzbereich entdeckt, von denen einige nach Ägypten führen. Israels Premierminister Netanjahu argumentiert, Israel müsse den Korridor langfristig kontrollieren, um zu verhindern, dass die Hamas militärisches Gerät aus Ägypten schmuggelt. Die Hamas wiederum besteht auf dem Abzug der israelischen Truppen von der Grenze.

    Kritiker Netanjahus, darunter anonyme Quellen aus den Sicherheitsdiensten, werfen dem Premier vor, er habe die israelische Position unnötig verhärtet. Bestehe Israel auf der Kontrolle des Korridors, seien die Verhandlungen zum Scheitern verurteilt.

    Wie verlässlich ist das Angebot von Ägypten?

    Danny Orbach, Militärexperte von der Hebräischen Universität in Jerusalem, hält Netanjahus Beharren indes für berechtigt. „Das ist eine Minimalforderung, um das im Krieg bisher Erreichte zu bewahren und Israels Sicherheit zu gewährleisten“, sagt er unserer Redaktion. „Die Geschichte hat gezeigt, dass Terrororganisationen einer weitaus stärkeren Armee widerstehen können, wenn sie einen sicheren Nachschub von Waffen und Ausrüstung haben. Im Fall der Hamas ist es möglich, diesen sicheren Nachschub abzuschneiden – indem Israel den Philadelphi-Korridor kontrolliert.“

    Vertreter Ägyptens sollen in den Verhandlungen angeboten haben, die Grenze mit einer neuen, technisch aufgerüsteten Barriere auszustatten, die dem Waffenschmuggel ein Ende würde. In Israel überzeugen solche Angebote allerdings kaum jemanden: Ägypten hat schon in der Vergangenheit seine Grenzanlage technisch aufgerüstet, um Schmuggler zu stoppen – wie sich herausstellte, ohne Erfolg. „Ägypten hat ein Problem mit Korruption und Ineffizienz“, sagt Orbach. „Wenn Ägyptens Präsident etwas anordnet, heißt das längst nicht, dass es auch geschieht.“ Schließlich hätten Akteure auf der Sinai-Halbinsel an dem Schmuggel nach Gaza gut verdient.

    Anschlagsversuch in Tel Aviv

    Trotz allem hält der Experte den Streit um den Philadelphi-Korridor nicht für die entscheidende Hürde auf dem Weg zu einer Einigung. Schwerer als jedes technische Detail wiege ein anderes Problem: „Die grundsätzlichen Ziele Israels und der Hamas sind unvereinbar. Israel will, dass die Hamas Gaza nicht mehr kontrolliert. Die Hamas will ihre Herrschaft in Gaza wieder aufbauen.“

    Die jüngsten Nachrichten geben daher auch wenig Grund zu Hoffnung auf eine Einigung: Den Kompromissvorschlag, den Unterhändler verschiedener Staaten vergangene Woche ausgearbeitet hatten, hat die Hamas bereits abgelehnt. Mehr noch: Die Bemühungen wurden überschattet von einem versuchten palästinensischen Terroranschlag in Tel Aviv. Im Rucksack eines Mannes war am Sonntagabend in der Küstenmetropole ein Sprengsatz explodiert, als dieser auf einer Straße im Süden der Stadt unterwegs war. Dabei wurden der mutmaßliche Attentäter getötet und ein E-Scooterfahrer verletzt. Die militärischen Flügel von Hamas und Dschihad drohten in einer gemeinsamen Erklärung, sie würden wieder verstärkt auf solche Anschläge in Israel setzen, „solange die Massaker durch die Besatzungsmacht sowie die Vertreibung von Zivilisten und die Politik der Attentate weitergehen“.

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