Die persönliche Betroffenheit war Olaf Scholz deutlich anzumerken, als er am Sonntagnachmittag im Kanzleramt vor die Kameras trat, um Israel nach dem Terrorangriff der Hamas die deutsche Solidarität zu versichern. Er habe dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in einem Telefonat versichert, dass Deutschland „fest und unverbrüchlich“ an der Seite seines Landes stehe, erklärte der Bundeskanzler. Die wahllose Ermordung von Kindern, Frauen und Männern, die Verschleppung Dutzender Menschen – Scholz brandmarkte die Angriffe der Hamas als barbarisch und empörend. „Sie sind durch nichts, auch durch gar nichts, zu rechtfertigen“, sagte der SPD-Politiker.
Er hoffe, erklärte Scholz, dass Israel sich bald von den Terroristen werde befreien können. „Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson. Das gilt gerade auch in schweren Stunden wie diesen“, bekräftige der Kanzler und ergänzte: „Und entsprechend werden wir handeln.“
Zuvor hatte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) den Angriff auf Israel scharf kritisiert. Die Grünen-Politikerin sprach von einem „präzedenzlosen Akt der Eskalation durch die Hamas“. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sagte: „Diese Angriffe auf Israel sind eine fürchterliche Zäsur.“
Deutsche verschleppt?
Das Auswärtige Amt verschärfte seine Reise- und Sicherheitshinweise. „Die Lage ist hoch volatil. Eine weitere Verschärfung der Lage, eine Ausweitung auf andere Gebiete des Landes und erhebliche Beeinträchtigungen des Flugverkehrs können nicht ausgeschlossen werden“, hieß es.
In Berlin verstärkte die Polizei den Schutz jüdischer Einrichtungen. Synagogen und Geschäfte beispielsweise werden ohnehin schon ständig vom Zentralen Objektschutz bewacht, der Innensenat schickte weitere Beamtinnen und Beamte auf die Straße. Überall in der Hauptstadt wurden Zeichen der Solidarität mit Israel gesetzt. Kanzleramt, Bundestag und Bundespräsidialamt, aber auch der Berliner Bezirk Charlottenburg beispielsweise, hissten die israelische Flagge.
Zuwanderer bejubeln Angriff
Verstörende Szenen spielten sich unterdessen im von arabischstämmigen Zuwanderern geprägten Berliner Bezirk Neukölln ab. Auf der Sonnenallee verteilten Mitglieder der Gruppe Samidoun, die als Vorfeldorganisation der linksextremen „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) gilt, Süßigkeiten an Passanten, um den Terror-Überfall auf Israel zu feiern. Ein Kamerateam wurde bedrängt und gezwungen, zuvor gemachte Filmaufnahmen zu löschen. Neuköllns sozialdemokratischer Bezirksbürgermeister Martin Hikel verurteilte die Aktion als „eine entsetzliche Verherrlichung eines furchtbaren Kriegs“.
Rund 70 Personen rotteten sich zu einer pro-palästinensischen Demonstration zusammen, bei der die Morde in Israel offen bejubelt und antiisraelische Parolen skandiert wurden. Als die Polizei die Kundgebung auflöste, warfen überwiegend junge Männer Flaschen und Steine auf die Einsatzkräfte. Rund 40 Personen wurden vorläufig festgenommen. Kanzler Scholz hatte dazu seine ganz klare Haltung: „Wir akzeptieren es nicht, wenn hier auf unseren Straßen die abscheulichen Attacken gegen Israel gefeiert werden.“
Millionen für die Hamas auf dem Prüfstand
In der spätestens seit den Ausschreitungen in der Silvesternacht berüchtigten High-Deck-Siedlung, in der zahlreiche palästinensische Jugendliche leben, die mit der Hamas sympathisieren, kam es in der Nacht zum Sonntag zu gefährlichen Angriffen auf die Polizei. Diese sperrte zeitweise die gesamte Siedlung ab.
Derweil stellen Politiker aus Regierung und Opposition die bisherige deutsche Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde infrage. Finanzminister Christian Lindner (FDP) forderte von seiner Kabinettskollegin Baerbock eine rasche Entscheidung. „Der Terror ist erschütternd. Auf ihn sollten wir nicht nur mit Worten reagieren“, sagte der FDP-Chef. Mehr als 340 Millionen Euro flossen 2021 und 2022 an die Palästinenser, Deutschland gehört damit zu den größten internationalen Gebern der Autonomiebehörde. Ministerin Schulze kündigte an: „Wir werden unser gesamtes Engagement für die palästinensischen Gebiete auf den Prüfstand stellen.“