Während Israel den Einmarsch mit Bodentruppen im Gazastreifen vorbereitet, laufen im Hintergrund intensive Bemühungen, den Krieg im Nahen Osten zumindest zu entschärfen. Am Wochenende hatte die Regierung um Benjamin Netanjahu den Palästinensern mehrfach Fristen gesetzt, das von der Hamas kontrollierte Gebiet zu verlassen. Die New York Times zitierte nicht namentlich genannte israelische Offiziere, dass das schlechte Wetter die Armee ausbremse. Experten gehen hingegen davon aus, dass neben der militärischen Strategie auch an einem politischen Plan gearbeitet wird. "Das mit dem Wetter würde mich überraschen", sagt der Terrorexperte Peter Neumann vom King's College in London unserer Redaktion. "Ich halte es für wahrscheinlicher, dass der Einfluss der Amerikaner hier eine Rolle gespielt hat."
Tony Blinken sei in den vergangenen Tagen in der ganzen Region unterwegs gewesen, am Sonntag traf er sich mit dem saudischen Kronprinzen. "Er hat einerseits dafür gesorgt, dass sich die Regierungen von Jordanien, Saudi-Arabien und anderen prowestlichen Ländern in der Region bei der Kritik an Israel zurückhalten, und andererseits, dass Israel versteht, dass es mit einer schlecht geplanten, chaotischen Offensive, deren politisches Ziel nicht klar ist, die Unterstützung dieser arabischen Regierungen verlieren würde", sagt Neumann. Tatsächlich stoppte Riad bereits Gespräche über eine mögliche Aufnahme von Beziehungen mit Israel. Saudi-Arabien gilt als wichtige Schutzmacht der Palästinenser. Eine Partnerschaft mit den Saudis wäre für Tel Aviv ein politischer Meilenstein gewesen.
Warnung vor Krieg zwischen Israel und gesamter muslimischer Welt
Auch Großbritannien warnt vor massiven Folgen des Krieges. "Die Hamas will diesen Konflikt eindeutig in einen größeren arabisch-israelischen Krieg oder sogar einen Krieg zwischen der muslimischen Welt und dem Rest der Welt verwandeln", sagte Außenminister James Cleverly. Am Sonntag hatte es bereits Gespräche zwischen Israels Erzfeind Iran und der Hamas gegeben. Geplant sei, eine "Achse des Widerstands" zu stärken, das heißt nichts anderes als ein Bündnis militanter Gruppen. Die USA schickten zur Abschreckung weitere Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer. Erneut kam es auch zu Zwischenfällen an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon.
Israel will die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas zerstören, nachdem diese bei dem beispiellosen Terrorüberfall auf Israel seit Samstag vergangener Woche mehr als 1300 Menschen getötet, über 3600 Menschen verletzt hat. Israels Regierungschef Netanjahu besuchte am Wochenende erstmals seit dem Massaker das Grenzgebiet. Medienberichten zufolge fragte er bei einer Begegnung mit Soldaten vor Ort, ob sie bereit für die "nächste Stufe" seien. "Wir sind bereit", schrieb Netanjahu zu dem Besuch auf X. Zehntausende Soldaten sind bereits an der Grenze stationiert. Außenminister Eli Cohens erklärte, man brauche "Zeit, um zu siegen". Doch die Kämpfe seien auch für Europa von Bedeutung: "Unser Sieg wird sicherstellen, dass der islamistische, radikale Terror nicht nach Paris, London und New York kommt."
Bundesregierung fliegt Deutsche aus
Die Zahl der in Gaza getöteten Palästinenser stieg inzwischen auf mehr als 2300. Tausende Menschen sind zudem auf der Flucht, die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln wird immer kritischer. Die Wiederaufnahme der Versorgung macht die Regierung von der Freilassung von bis zu 150 von der Hamas verschleppten Israelis abhängig. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock rief die Hamas eindringlich auf, alle Geiseln freizulassen. Der Bundesregierung seien acht Fälle von deutschen Staatsangehörigen unter ihnen bekannt – die meisten seien Doppelstaatler. Die Bundeswehr hat am Wochenende rund 160 Menschen aus Israel nach Deutschland ausgeflogen. Nachdem in der vergangenen Woche Lufthansa-Maschinen im Einsatz waren, ging diesmal der Militärtransporter vom Typ A400M in die Luft. Im Falle einer Lageverschlechterung stehe die Bundeswehr auch für eine militärische Evakuierungsoperation bereit. (mit dpa)