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Sicherheitsexperte Joachim Krause: "Europa wird auf absehbare Zeit die Hauptlast tragen müssen"

Krieg gegen die Ukraine

"Europa wird auf absehbare Zeit die Hauptlast tragen müssen"

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    Im Osten der Ukraine haben die ukrainischen Streitkräfte Mühe, den im vergangenen Jahr an die russischen Streitkräfte verlorenen Boden zurückzugewinnen, zumal die Munition knapp wird.
    Im Osten der Ukraine haben die ukrainischen Streitkräfte Mühe, den im vergangenen Jahr an die russischen Streitkräfte verlorenen Boden zurückzugewinnen, zumal die Munition knapp wird. Foto: Laurel Chor, dpa

    Herr Krause, im vergangenen Jahr haben alle gespannt auf die Frühjahrsoffensive der Ukraine geblickt. Was ist in diesem Jahr zu erwarten?
    JOACHIM KRAUSE: Das Blatt hat sich gewendet, Russland ist dabei seine Kräfte zu konsolidieren, und die Ukraine kann derzeit keine Offensivaktionen ins Auge fassen. Tatsächlich leiden die ukrainischen Truppen unter Munitionsmangel. Der Krieg ist ein Stellungskrieg, bei dem auf die Dauer die russische Seite Vorteile hat, solange die Ukraine nicht entsprechend mit Waffenlieferungen versorgt wird, insbesondere aus den USA. Die Unterbrechung der US-Waffenlieferungen ist Folge des Wahlkampfs von Trump. Er ist derzeit die beste Trumpfkarte Putins, Mike Johnson, der Sprecher des Hauses, sein willfähriger Vollstrecker.

    Muss man nicht eher Angst haben vor einer Frühjahrsoffensive der russischen Armee?
    KRAUSE: Diese Angst ist berechtigt. Dagegen steht der desolate Zustand der russischen Truppen, die mit der derzeitigen Taktik kleinere Geländegewinne erzielen können, aber bislang noch nicht in der Lage waren, von der Schwächung der Ukraine wirklich Vorteile zu ziehen.

    Wird Putin seine Angriffe noch einmal verstärken?
    KRAUSE: Natürlich wird er das versuchen, aber die Frage ist, mit welchem operativem Konzept, mit welchen Kräften und mit welchen Konsequenzen. Die Defizite auf russischer Seite, was die Koordination von Land- und Luftstreitkräften zur Durchführung größerer Operationen betrifft, sind noch beträchtlich. Die Truppen bestehen weitgehend aus Reservisten, die schlecht ausgebildet sind und stark ausbluten. Derzeit verliert Russland bis zu 1000 Soldaten pro Tag durch Tod oder Verwundung. In diesem Jahr ist voraussichtlich nicht mit einer größeren Offensivaktion zu rechnen. Nächstes Jahr dürfte sich das ändern. 

    Die Bundeswehr sagt zu, Munition liefern zu wollen. Ist das ein Hoffnungsschimmer?
    KRAUSE: Auf jeden Fall, ebenso die Aktivitäten Tschechiens, und endlich scheint auch Frankreich aufgewacht zu sein. Wir werden uns für absehbare Zeit darauf einstellen müssen, dass wir Europäer die Hauptlast der Unterstützung der Ukraine leisten müssen. Das erfordert unkonventionelle Beschaffungskonzepte und die Umstellung der Rüstungswirtschaft auf das, was gerne als "Kriegswirtschaft" bezeichnet wird. Wir haben keine andere Wahl.

    Joachim Krause war Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel.
    Joachim Krause war Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. Foto: Joachim Krause

    Wie sind umgekehrt die Angriffe auf das russische Gebiet Belgorod einzuordnen? Ist das etwas, das Russland gefährlich werden könnte?
    KRAUSE: Nein, das sind psychologische Nadelstiche. Viel wichtiger sind Angriffe mit Drohnen tief in Russland auf Raffinerien und Militäreinrichtungen. Aber insgesamt bleiben die Fähigkeiten der Ukrainer zur Bekämpfung russischer Kräfte in der Tiefe des Raums hinter den russischen Fähigkeiten zurück.

    Zur Person

    Joachim Krause war Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel.

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