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Kreml: Krieg? Sanktionen? Davor hat Wladimir Putin wirklich Angst

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Krieg? Sanktionen? Davor hat Wladimir Putin wirklich Angst

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    Infektionsschutz nach Putins Art: der lange Tisch im Kreml.
    Infektionsschutz nach Putins Art: der lange Tisch im Kreml. Foto: Mikhail Klimentyev/Russian President Press Office, dpa

    Er hat es wieder getan. Wladimir Putin weiß sich als Nachfolger russischer Zaren zu inszenieren und bittet, wie jüngst Kanzler Olaf Scholz, seine Gäste an einen opulenten weißen Tisch im Kreml. Putins Tisch ist, neben den Panzern an der russisch-ukrainischen Grenze, längst zum Symbolbild der jüngsten Krise in Europa geworden.

    Die italienische Zeitung Corriere della Sera hat den Tischler Renato Pologna aus Cantù in Norditalien ausfindig gemacht, der das gute weiß lackierte Stück aus Holz, mit Blattgold verziert und handgefertigten Dekorationen versehen, vor 25 Jahren für den Kreml produziert haben soll. Auf 100.000 Euro käme seine Arbeit heute. Sechs Meter Länge, 2,6 Meter Breite.. Mehr als 15 Quadratmeter Fläche befanden sich so zwischen Putin und seinen Gästen, die in den vergangenen Tagen nach Moskau geeilt waren, um zu verstehen, was nicht zu verstehen ist.

    Regierungsvertreter sprechen von einer "Massenpsychose" des Westens

    „Alles Hysterie, eine Massenpsychose des Westens, diese mystische Invasion“, tönt es auf allen russischen Kanälen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte sich an der riesigen Tischplatte auf drei Säulen genauso eingefunden wie der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Dienstag. Ein Symbol für die scheinbar unüberwindbare Distanz zwischen Ost und West?

    Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bemühte sich, die Sache zu erklären, kaum waren nach dem Macron-Besuch zahlreiche Fotomontagen im Internet aufgetaucht, wer denn noch alles hätte Platz nehmen können zwischen den beiden Präsidenten. Hygienische Gründe seien dafür verantwortlich, sagte Peskow. Seit Wochen erkranken in Russland offiziell täglich knapp 200.000 Menschen an Corona, fast 800 sterben Tag für Tag daran. Unabhängige russische Demografen sprechen von Zahlen, die dreifach höher seien.

    Putin hat Angst vor einer Ansteckung

    49 Prozent der Bevölkerung gelten als geimpft. Von einer Zertifikatspflicht sieht die russische Regierung ab, sie störe die Menschen zu sehr. Bis heute kennen viele im Land nicht einmal den Unterschied zwischen Schnell- und PCR-Test. Das Virus nehmen sie schicksalsergeben mit einem abwehrenden „wird schon irgendwie“ hin und sehen es als kleine Inseln der Freiheit, in einem sonst stark einengenden Staat keine Maske aufzusetzen, obwohl sie Pflicht ist, und auch schon einmal trotz Quarantäne zur Arbeit zu gehen.

    Für den russischen Präsidenten kommt so eine Nachlässigkeit nicht infrage. Der angeblich geimpfte und geboosterte bald 70-Jährige hat, wie so viele Menschen, Angst vor einer Ansteckung. Der vor Kraft strotzende Präsident hat sich in der Öffentlichkeit noch nie mit einem Mund-Nasen-Schutz gezeigt. Er hält lieber Distanz – und lässt selbst sein unmittelbares Umfeld in Quarantäne schicken, bevor die Menschen in seine Nähe kommen. Sitzungen hält er oft online ab, ob nun in seiner Moskauer Vorortresidenz Nowo-Ogarjowo oder am Meer in Sotschi. Die Räume sollen identisch sein. „Bunker“ nennen die Russen seine Rückzugsorte, die nach Recherchen russischer Medien durch einen Desinfektionstunnel zu betreten sind.

    Auch Außenminister Lawrow muss Abstand halten

    Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew, der fünf Tage nach Macron und zwei Tage vor Scholz in Moskau weilte, dufte Putin so nahe kommen, dass es einen Schulterklopfer gab, wie auch schon zuvor der argentinische Präsident Alberto Fernandez. Beide sind mit dem russischen Impfstoff Sputnik geimpft. Und beide scheinen sich vor ihrem Treffen im Kreml einem PCR-Test vom russischen Ärzteteam unterzogen zu haben – anders als Macron und Scholz.

    Auch er muss Abstand halten: der russische Außenminister Sergei Lawrow.
    Auch er muss Abstand halten: der russische Außenminister Sergei Lawrow. Foto: Russian Foreign Ministry Press Service, AP/dpa

    An den langen Tisch, wenn auch nicht an den mittlerweile berühmt gewordenen auf drei Säulen, werden allerdings selbst Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu verbannt. Keine Zeit für PCR-Tests gehabt, erklärte der Kreml danach. Hätte alles so kurzfristig gehen müssen. Schließlich hatten die Herren ihrem Präsidenten Nicht-Aufschiebbares zu sagen: Die Möglichkeiten des Dialogs mit dem Westen seien noch nicht ausgeschöpft, meinte Lawrow. „Gut“, sagte Putin in der Ferne. Man hörte ihn kaum.

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