Die umstrittene Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach gerät wegen wachsender juristischer Bedenken in Verzug. Nachdem Bundesländer, Krankenkassen und Krankenhausträger eine Reihe von Klagen gegen die Gesetzespläne angekündigt hatten, verschob die Bundesregierung die Verabschiedung des Gesetzentwurfs des SPD-Ministers um mindestens eine Woche. Zugleich verschärften die Krankenhausträger ihre Warnungen vor massiven Verschlechterungen in der Patientenversorgung, sollten Lauterbachs Pläne unverändert beschlossen werden.
Krankenhausgesellschaft warnt vor OP-Wartezeiten wie in England
Mit den vorliegenden Plänen drohten in Deutschland bei Operationen lange Wartelisten wie heute bereits in England, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft Gerald Gaß. Zudem drohten insbesondere in ländlichen Regionen kleinere für die Notfallversorgung wichtige Krankenhausstandorte in wirtschaftliche Gefahr zu geraten und die Defizite Kommunen und Landkreise zu überfordern. „Wir werden zukünftig, wenn das alles so umgesetzt wird, deutlich weniger Krankenhaus-Versorgungskapazitäten haben, und nicht nur weniger Standorte, sondern tatsächlich insgesamt weniger Kapazitäten, als es heute der Fall ist“, sagte Gaß.
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach kündigte eine Verfassungsklage an, sollte die Reform in der vorliegenden Form, wie von Lauterbach geplant, ohne Zustimmung der Länder im Bundesrat beschlossen werden. „Wir haben ein Rechtsgutachten gemeinsam mit anderen Ländern in Auftrag gegeben, das klar darlegt, dass das Gesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig sein sollte“, sagte die CSU-Politikerin unserer Redaktion. Ein Erfolg möglicher Klagen gegen die Reform könnte ihr Scheitern bedeuten.
CSU-Ministerin Judith Gerlach fordert Lauterbach zum Einlenken auf
Gerlach appellierte an Lauterbach, auf die Länderminister zuzugehen, die einstimmig gemeinsame Reformvorschläge vorgelegt hatten: „Es geht uns über Parteigrenzen hinweg darum, eine für die Patientinnen und Patienten tragfähige Reform im Schulterschluss mit dem Bund voranzutreiben“, betonte die Ministerin. „Da das Gesetz nun doch erst kommende Woche im Bundeskabinett behandelt werden soll, gibt es dazu noch immer die Gelegenheit. Ich rufe Lauterbach auf, diese Chance nicht verstreichen zu lassen.“
Die Länder kritisieren vor allem, eine unzureichende Finanzierung der kleineren Krankenhäuser auf dem Land. Bayern stellte nun 100 Millionen Euro zur Sicherung kleiner Kliniken bereit. „Ziel ist es, die stationäre Versorgung auf dem Land in diesen turbulenten Zeiten bei notwendigen Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen“, sagte Gerlach. Eine Folgenabschätzung aus den Reihen von Lauterbachs Reformkommission geht davon aus, dass sich die Zahl der Deutschen, die mehr als 30 Minuten mit dem Auto in eine Klinik brauchen, von einer auf über fünf Millionen erhöhen könnte, dies träfe im Schnitt jede dritte Gemeinde unter 5000 Einwohner.
Hausärzte warnen vor Systemkollaps
Lauterbach kündigte beim Deutschen Ärztetag an, die Vorschläge der Länder prüfen zu wollen. Die Gesundheitsversorgung stehe angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels vor tiefgreifenden Veränderungen: „Wir sind tatsächlich im Gesundheitssystem derzeit im wahrsten Sinne des Wortes in einer Zeitenwende.“ Auch Hausärzte-Chef Markus Beier forderte Reformen: „Sowohl der ambulante als auch der stationäre Bereich können den hohen Versorgungsbedarf, wenn überhaupt, nur mit Mühe decken“, erklärte er. Folgen seien unter anderem monatelange Wartezeiten auf Termine und überfüllte Notaufnahmen. „Das System wackelt bereits gefährlich“, warnte Beier.