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Krankenhausreform 2023: Was ändert sich für Patienten?

Gesetz beschlossen

Was bringt die Krankenhausreform für Patienten?

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    Karl Lauterbach kämpfte im Bundestag für seine Reform.
    Karl Lauterbach kämpfte im Bundestag für seine Reform. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Kaum ein Gesetz betrifft so viele Menschen wie die Krankenhausreform: In den kommenden Jahren könnte sich vielerorts in Deutschland die Versorgung grundlegend verändern. Viele Krankenhäuser könnten verschwinden, neue ambulante Gesundheitszentren eröffnen, und wenn es nach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geht, soll die Medizin moderner werden und sich die Behandlungsqualität verbessern. Doch kaum ein Gesetz der Ampel-Koalition ist aus Sicht der Betroffenen umstrittener als die jetzt im Bundestag beschlossene Reform: Vom Kliniksterben, von ungerechter Finanzierung, Etikettenschwindel und Blindflug ist die Rede. Einige Antworten auf wichtige Fragen:

    Was sind die Gründe für die Reform?

    Deutschlands Krankenhauslandschaft ist vielerorts historisch gewachsen und bunt zusammengewürfelt: Es gibt kommunale und landeseigene Krankenhäuser, private Klinikkonzerne oder von kirchlichen und gemeinnützigen Organisationen getragene Häuser. Sie alle agieren nach privatwirtschaftlichen Prinzipien und müssen sich über Abrechnungen mit gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungen finanzieren. Das gelingt immer schlechter. Obwohl die Klinikbehandlungen für die Krankenkassen mit einem Drittel der mit Abstand größte Ausgabenposten sind, schreiben vier von fünf Krankenhäuser Verluste. Zudem verschärfen sich ihre Personalprobleme durch den Fachkräftemangel.

    Warum sind die Krankenhäuser in finanzielle Schieflage geraten?

    Für die hohen Defizite der Krankenhäuser gibt es viele Gründe. Die hohe Inflation der vergangenen Jahre hat kurzfristig große Löcher in die Bilanzen gerissen. Kosten und Löhne stiegen viel stärker als die Einnahmen über die gesetzlich gedeckelten Kassenleistungen: Zudem sank nach der Pandemie die Zahl der Behandlungen deutlich. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass viele Kliniken nicht mehr genug Pflegekräfte finden, während die gesetzlichen Vorgaben für Mindestbesetzungen von Schichten angehoben wurden. Viele Kliniken können deshalb weniger Eingriffe machen, nehmen weniger Geld ein und beklagen leere Betten. Experten kritisieren jedoch, dass in Deutschland aus finanziellen Gründen viel zu viel operiert wurde und noch immer wird. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte im Bundestag, es sei zum Teil schneller möglich, ein Kniegelenk austauschen zu lassen, als einen Termin beim Physiotherapeuten für das Knie zu bekommen.

    Wo will die Reform bei den Problemen ansetzen?

    Lauterbach kritisiert seit Jahrzehnten, dass es zu viele Kliniken in Deutschland gebe. „Wir haben ein paar Hundert Krankenhäuser zu viel“, betonte er im Bundestag. Tatsächlich liegt Deutschland mit 7,8 Krankenhausbetten pro Tausend Einwohner zusammen mit Bulgarien an der Spitze in Europa und weit über dem EU-Durchschnitt von fünf Betten. Schweden, Dänemark oder die Niederlande kommen mit weniger als der Hälfte aus. Die meisten Fachleute sind sich einig, dass es zu viele Krankenhausbetten gebe, und deutlich mehr Eingriffe ambulant, das heißt ohne Übernachtungen, stattfinden sollen. Im Zuge der „Ambulantisierung“ sollen ganze Krankenhäuser in Gesundheitszentren umgewandelt werden, das heißt, bis auf Ausnahmen gar keine Betten mehr haben.

    Warum ist die Krankenhausreform aber so umstritten?

    Im Grunde sind sich alle Seiten einig, dass eine große Krankenhausreform nötig ist. Denn die finanziellen und personellen Probleme der Kliniken werden sich verschärfen und die Krankenkassenbeiträge sind schon jetzt auf Rekordhöhen angestiegen. Doch ebenso kommt von allen Seiten Kritik an Lauterbachs Reform. Am gewichtigsten ist die Sorge vieler Bundesländer und Krankenhausträger, dass Lauterbachs Finanzierungsmodell zu einer unkontrollierten Pleitewelle, einem sogenannten kalten Strukturwandel, führen könnte. Sie fürchten ein Kliniksterben kleiner und mittlerer Häuser in ländlichen Regionen, während in Großstädten wie München eine deutliche Überversorgung bestehen bliebe. Außerdem wälzt der Bund sämtliche Kosten für den Umbau der Krankenhauslandschaft allein auf die Bundesländer und die Krankenversicherten ab.

    Wie soll die Krankenhausreform funktionieren?

    Künftig sollen alle Klinikbehandlungen in 65 Leistungsgruppen eingeteilt werden. Für jede Leistungsgruppe soll es Mindestanforderungen geben. Lauterbach will damit die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern und die Spezialisierung der Kliniken vorantreiben. Komplizierte Eingriffe oder bestimmte Krebsbehandlungen würden mittelfristig nur noch Großkrankenhäuser oder Spezialkliniken anbieten können. Lauterbach verspricht, dass kleine Krankenhäuser mit einer neuen „Vorhaltefinanzierung“ für die Notfallversorgung in der Fläche überlebensfähig sein sollen. Die Krankenhausträger werfen dem SPD-Minister vor, dass dieses Modell ein reiner Etikettenschwindel sei.

    Wer ist Verlierer, wer Gewinner der Reform?

    Minister Lauterbach ist eine „Auswirkungsanalyse“ seiner Reform, die er den Ländern und Kliniken versprochen hatte, bis jetzt schuldig geblieben. Die Krankenhausträger werfen der Ampel-Koalition deshalb eine Reform „im Blindflug“ vor, der für Millionen Menschen negative Folgen haben könnte. Zu den Gewinnern der Reform dürften viele Unikliniken gehören, aus deren Reihen das Reformkonzept erstellt worden ist. Die größten Verlierer sind schon jetzt kirchliche und gemeinnützige Kliniken: Sie bleiben anders als öffentliche Krankenhäuser auf ihren Defiziten sitzen und geraten oft in Insolvenzgefahr. Ebenso drohen der Landbevölkerung gravierende Nachteile, falls die Vorhaltefinanzierung tatsächlich nicht so funktioniert, wie vom Bund versprochen. Viele Menschen werden bei planbaren Eingriffen längere Strecken fahren müssen. Die Krankenhausträger erwarten neue Sparzwänge und für viele planbare Operationen längere Wartezeiten.

    Wie geht es jetzt weiter?

    Die Reform muss noch durch den Bundesrat. Bayern und andere von der Union regierte Länder fordern Nachbesserungen. Die Länder sind laut Grundgesetz für die Krankenhausplanung zuständig und fordern praktikable Ausnahmeregelungen, um die Reformziele an die Erfordernisse vor Ort anzupassen. Die Länder bräuchten eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat, um einen Kompromiss zu erzwingen. Ob dies gelingt, ist offen. Lange lehnten die Länder Lauterbachs Pläne einstimmig ab. Nach einigen Zugeständnissen des Ministers neigen jedoch mehrere SPD-regierte Länder zur Zustimmung. Mehrere gesetzliche und private Krankenversicherungen haben Verfassungsklagen angekündigt, weil der größte Teil der Reform allein von den Versicherten bezahlt werden soll. Erste Auswirkungen soll die Reform ohnehin erst 2026 zeigen.

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