Die Krankenkassen warnen angesichts der Inflation und zunehmender Finanzprobleme der Krankenhäuser vor weiter steigenden Beiträgen und werfen der Bundesregierung einen Sparkurs auf Kosten der Beitragszahler vor. "Die Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung werden in den nächsten Jahren noch zunehmen", sagte DAK-Vorstandschef Andreas Storm unserer Redaktion. "Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, wenn jetzt die ohnehin unterfinanzierten Krankenkassen auch noch die Finanzlöcher der Krankenhäuser stopfen sollen", kritisierte er den vom Bund verweigerten Inflationsausgleich für die Kliniken.
Krankenkassen fordern Ende des Drehens an Zusatzbeitragsschraube
Storm forderte die Bundesregierung auf, offen mit den zunehmenden Finanzproblemen im Gesundheitssystem umzugehen. "Deshalb wäre es ehrlicher von der Politik, wenn der allgemeine Beitragssatz aller Krankenkassen angehoben und nicht ein ruinöser Preiswettbewerb über die individuellen Zusatzbeiträge ausgelöst würde", betonte der Kassenchef. "Unter dem Strich müssen Beitragszahler die Zeche zahlen, indem die Beiträge 2024 und in den Folgejahren steigen", kritisiert er. Bislang vermeidet Gesundheitsminister Karl Lauterbach eine Debatte um den gesetzlich festgeschriebenen Beitragssatz von 14,6 Prozent. Der SPD-Minister hatte stattdessen den Zusatzbeitrag zu Jahresbeginn von 1,3 auf 1,6 Prozent angehoben und eine Erhöhung für 2024 auf maximal 2,0 Prozent in Aussicht gestellt. Dies würde einen Durchschnittshaushalt insgesamt etwa 210 Euro netto mehr pro Jahr kosten.
AOK-Chefin Carola Reimann fordert Ampel zum Einhalten des Koalitionsvertrags auf
Auch die AOK-Bundesvorstandsvorsitzende Carola Reimann kritisiert, dass die Bundesregierung ihre im Koalitionsvertrag versprochenen Lösungsansätze zur nachhaltigen Entlastung der Krankenkassen bisher schuldig bleibe. "Dabei liegen diese seit Jahren auf dem Tisch, etwa eine auskömmliche Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Bürgergeld-Beziehenden über zusätzliche Bundesmittel oder die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel", sagte Reimann. "Dies zusammen brächte dauerhaft schon rund zehn Milliarden Euro mehr auf der Einnahmenseite und etwa fünf Milliarden Euro Entlastung bei den Ausgaben", betonte die AOK-Chefin. "Gerade in Zeiten knapper werdender Mittel sind echte Strukturreformen und effizienter Mitteleinsatz dringend erforderlich."
Die Ampel hatte im Koalitionsvertrag versprochen, den Bundeszuschuss zur Krankenkasse dauerhaft anzupassen, statt wie bisher nach Kassenlage zu entscheiden. Doch nun fällt eine Anpassung für das kommende Jahr angesichts der Haushaltsprobleme ganz aus. Ebenso wurde im Koalitionsvertrag angekündigt, die Kosten für Bürgergeld-Empfänger stärker aus Steuern zu finanzieren, statt die Kosten der Solidargemeinschaft der Beitragszahler aufzubürden.
DAK-Chef Andreas Storm warnt: "Auf jeden Fall wird es für die Versicherten teurer"
"Die Situation ist grotesk", kritisiert DAK-Chef Storm. "Der Bundesgesundheitsminister hat mehrfach erklärt, dass die gesetzliche Krankenversicherung ein strukturelles Finanzierungsproblem hat", erklärt er. "Jetzt wurden beide Entlastungen mit einem Finanzvolumen von zehn Milliarden Euro vom Bundesfinanzminister wegen der Schuldenbremse einkassiert."
Die Höhe der nötigen voraussichtlichen Beitragssteigerungen sei noch unklar, sagte Storm. "Für eine seriöse Einschätzung der Finanzentwicklung in den kommenden Jahren brauchen wir im Herbst eine aktualisierte Konjunkturprognose der Bundesregierung als Grundlage, die dann in die Bewertung des Schätzerkreises im Oktober einfließt", sagte der DAK-Chef. "Dabei muss auch ein möglicher Mehrbedarf im Rahmen der Krankenhausreform berücksichtigt werden", fügte Storm hinzu. "Auf jeden Fall wird es für die Versicherten teurer", warnte er.