Der Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein hat sich offenbar noch stärker als bislang bekannt für eine Textilfirma eingesetzt, die dem Staat Schutzmasken im Millionenwert verkauft hat. In einer Mail an einen Mitarbeiter des Bundesgesundheitsministeriums soll sich der CSU-Politiker auf eine Absprache mit „JS“ berufen haben.
Möglicherweise steht dieses Kürzel für Minister Jens Spahn. Das Internetportal Business Insider zitiert aus der brisanten Nachricht, die Nüßlein von seiner Bundestagsadresse verschickt haben soll. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil es beim Verdacht der Bestechlichkeit, wegen dem gegen den Politiker ermittelt wird, auch um die Frage geht, ob er in seiner Funktion als Abgeordneter Lobbyarbeit betrieben hat. Für die Anbahnung des Maskengeschäfts soll der 51-Jährige 660.000 Euro Provision kassiert und nicht versteuert haben.
Kann Georg Nüßlein noch für den Bundestag kandidieren?
Hinter den Kulissen wird längst debattiert, ob Nüßlein unter diesen Umständen im September wieder für den Bundestag kandidieren kann. Bis vor wenigen Tagen galt seine Nominierung für den Stimmkreis Neu-Ulm als Formsache. Doch hinter vorgehaltener Hand fällt neben dem Begriff „Unschuldsvermutung“ immer häufiger das Wort „Alternative“. Viele Parteifreunde erwarten von Nüßlein, dass er sich öffentlich erklärt.
Wenn Parteien derart in Bedrängnis geraten, überlegen sie sich eine „Sprachregelung“, mit der sie an die Öffentlichkeit gehen. Das soll wenigstens nach außen hin Einigkeit demonstrieren. In der Causa Nüßlein hat sich die CSU-Landesgruppe im Bundestag für folgende Sprachregelung entschieden: Der Fraktionsvize bekomme Zeit, um seine Angelegenheiten zu sortieren. Doch die Uhr tickt bereits. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt will Ende der Woche Kontakt mit Nüßlein aufnehmen. Auch der Vorsitzende der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus, erhöht den Druck. Er erwartet, dass sich Nüßlein in den nächsten Tagen äußern wird.
Große Koalition hat sich offenbar auf Einführung eines Lobbyregisters geeinigt
In der Bundespolitik will man Lobbyarbeit bald strikter regeln: Nach Informationen der ARD hat sich die Große Koalition auf die Einführung eines gesetzlichen Lobbyregisters verständigt. Demnach müssen sich professionelle Interessenvertreter in ein Register eintragen, das der Bundestag einrichten und führen soll. Bei Verstößen sei ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro vorgesehen.
Für den politischen Gegner ist die Affäre eine Steilvorlage. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagt im Gespräch mit unserer Redaktion über die Ermittlungen gegen Nüßlein: „Die Aufhebung seiner Immunität und Durchsuchungen seines Bundestagsbüros erfolgen nicht ohne schwerwiegenden Anlass. Das ist Gift in der gegenwärtigen Lage, in der es sehr auf das Vertrauen in die politisch Handelnden ankommt.“ Integrität sei das Gebot der Stunde. „Da darf weder der Verdacht aufkommen, dass Politiker ihr Amt für Geschäfte nutzen, noch, dass ihnen die Einschränkungen schnuppe sind, die sie anderen auferlegen.“ Walter-Borjans sieht dagegen nur ein Mittel: „Endlich ein Lobbyregister schaffen, das wirklichen Einblick in das Wirken von Interessenvertretern gewährt.“
Auch Ex-Justizminister Alfred Sauter spielte eine Rolle im Fall Nüßlein
Auch in Bayern schlägt der Fall hohe Wellen. „Es wundert mich schon sehr, dass anscheinend beide CSU-Abgeordnete im Landkreis Günzburg in der Pandemie als Erstes an ihren eigenen Geldbeutel denken“, sagt der Grünen-Landtagsabgeordnete Maximilian Deisenhofer. Hintergrund: Neben Nüßlein spielt auch der frühere bayerische Justizminister Alfred Sauter eine Rolle. Nach Recherchen unserer Redaktion steht sein Name in einem der Durchsuchungsbeschlüsse. Der Landtagsabgeordnete arbeitete nach eigener Aussage in seiner Funktion als Rechtsanwalt den Vertrag für das Masken-Geschäft des bayerischen Gesundheitsministeriums mit der Textilfirma aus, für die Nüßlein geworben hatte.
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