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EU-Parlament: Korruptionsskandal im EU-Parlament: Eva Kaili in Untersuchungshaft

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Korruptionsskandal im EU-Parlament: Eva Kaili in Untersuchungshaft

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    Eva Kaili, Vize-Präsidentin des Europaparlaments, wurde festgenommen.
    Eva Kaili, Vize-Präsidentin des Europaparlaments, wurde festgenommen. Foto: Christophe Licoppe, European Commission/dpa

    Durch einen der größten Korruptionsskandale in seiner Geschichte droht das Europaparlament schwer in Misskredit zu geraten. Vizepräsidentin Eva Kaili soll Geld aus dem Golfstaat Katar kassiert haben, damit sie für das WM-Gastgeberland Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. Die Sozialdemokratin aus Griechenland wurde zusammen mit fünf anderen Verdächtigen festgenommen. Vier davon kamen am Sonntag per Haftbefehl in Untersuchungshaft - darunter nach Medienberichten auch die 44-jährige Parlamentsvize. Viele andere Europa-Abgeordnete, auch aus Deutschland, sorgen sich nun um den Ruf.

    Im Raum steht neben Vorwürfen der Bestechung und Bestechlichkeit auch der Verdacht der Geldwäsche. Kaili wurde von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola am Wochenende von all ihren Aufgaben entbunden. Bislang war sie eine von insgesamt 14 Stellvertretern. Formell muss die Entscheidung vom Parlament noch bestätigt werden. Die sozialdemokratische Fraktion - zu der auch die SPD-Abgeordneten gehören - suspendierte bereits ihre Mitgliedschaft. Ihre Partei schloss sie aus.

    Neben Kaili wurde auch ihr italienischer Lebensgefährte Panzeri festgenommen

    Festgenommen wurden auch ein ehemaliger sozialdemokratischer Europa-Abgeordneter aus Italien, Antonio Panzeri, sowie Kailis italienischer Lebensgefährte. Wie die Zeitung Le Soir und das Magazin Knack am Sonntag berichteten, kamen beide ebenfalls in U-Haft ins Gefängnis. "Sie werden der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, der Geldwäsche und der Korruption beschuldigt", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Zwei weitere Festgenommene ließ der Untersuchungsrichter frei. Am Samstagabend wurde das Haus eines weiteren Europa-Abgeordneten durchsucht.

    Die Vorwürfe setzten den politischen Betrieb in Brüssel unter Schock. In der EU-Hauptstadt, wo Gesetze für rund 450 Millionen Europäer gemacht werden, gehört Lobby-Arbeit selbstverständlich dazu. Nach Angaben des Vereins Lobbycontrol tummeln sich dort etwa 25.000 Lobbyisten in der Stadt. Sie alle versuchen, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Doch dieser Fall ist anders, brisanter - und lässt hohe kriminelle Energie vermuten.

    Der Golfstaat Katar steht im Verdacht der politischen Einflussnahme

    Seit mehreren Monaten verdächtigen belgische Ermittler nach Angaben der Staatsanwaltschaft einen Golfstaat, "die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen". Dazu sollen hohe Geldsummen gezahlt oder teure Geschenke an Entscheidungsträger im Parlament gemacht worden sein. Aus Ermittlerkreisen wurde der Deutschen-Presse-Agentur bestätigt, dass es sich bei dem Golfstaat um Katar handelt.

    Kaili sitzt seit 2014 im Europaparlament, wo sie inzwischen fast bis an die Spitze Karriere gemacht hat. Der Sozialdemokrat Panzeri hatte nach seinem Abschied aus dem Parlament in Brüssel die Nichtregierungsorganisation Fight Impunity gegründet, die eigenen Angaben zufolge weltweit für Menschenrechte kämpft. Die Organisation schreibt sich auch den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen. In Italien kamen Panzeris Ehefrau und dessen Tochter in Hausarrest.

    Ermittler beschlagnahmten bei Durchsuchungen 600.000 Euro in bar

    Bei den Durchsuchungen in Brüssel wurden am Freitag insgesamt 600.000 Euro Bargeld und Handys beschlagnahmt. Später fanden Ermittler in Kailis Wohnung Medienberichten zufolge Taschen voller Bargeld. Die Zeitung Le Soir schrieb, die 44-Jährige sei auf frischer Tat - "in flagranti" - erwischt worden. Die Griechin saß bislang für die Pasok-Partei im Parlament, die zusammen mit der SPD zur sozialdemokratischen Fraktion gehört.

    Nachdem sie von ihren Aufgaben entbunden wurde, kann nur das Parlament selbst ihre förmliche Absetzung beschließen. Das könnte bereits während der an diesem Montag beginnenden Plenarwoche in Straßburg erfolgen. Aus ihrer Partei der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok) wurde die ehemalige Fernseh-Moderatorin schon ausgeschlossen. Die heute 44-Jährige war eine der Jüngsten, die je ins griechische Parlament gewählt wurde. Der Spiegel  lobte sie bereits 2011 als "Die Weitsichtige". Die Brüssel-Kenner von Politico nahmen sie einst auf eine Liste der EU-Abgeordneten mit dem größten Einfluss.

    Droht dem Europaparlament ein Vertrauensverlust?

    Die Enthüllungen bedeuten für das Parlament einen großen Imageschaden. Es sei offensichtlich, dass Kaili das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler aufs Spiel setze, sagte der Vorsitzende der SPD-Europaabgeordneten, Jens Geier, der dpa. "Das sind schlimme Vorwürfe und die müssen aufgeklärt werden. Anders lässt sich verloren gegangenes Vertrauen nicht zurückgewinnen." Parlamentsvize Nicola Beer (FDP) sagte der dpa: "Es ist völlig klar, dass das insgesamt negative Auswirkungen auf das Parlament hat."

    Das Parlament mit mehr als 700 Abgeordneten positioniert sich gern als starke Stimme im Kampf gegen Korruption. So fordern die Abgeordneten wegen weit verbreiteter Korruption in Ungarn regelmäßig ein hartes Vorgehen gegen das EU-Land. Die Häme aus Budapest ließ nun nicht lange auf sich warten. Aus der Regierung gab es viel Spott.

    Kaili lobte in einer Rede im November die Vorreiterrolle Katars in Sachen Arbeitsrechten

    Aber haben Kaili und die anderen Verdächtigen tatsächlich auf illegale Weise die Interessen Katars vertreten? Kaili zumindest fiel zuletzt mit einer eher ungewöhnlichen Haltung auf. Als das Parlament im November über eine Resolution diskutierte, die die WM in Katar kritisieren sollte, attestierte die Ex-Journalistin dem Land, Vorreiter in Sachen Arbeitsrechten zu sein. Die WM sei Beweis dafür, "dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". Zudem beklagte sie, dass jeder, der mit Katarern spreche, der Korruption verdächtigt werde.

    Hat sich Katar der politischen Einflussnahme im EU-Parlament schuldig gemacht?
    Hat sich Katar der politischen Einflussnahme im EU-Parlament schuldig gemacht? Foto: Iranian Presidency, dpa (Archivbild)

    Der WM-Gastgeber steht seit Jahren wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Zahlreiche Mitglieder des damaligen FIFA-Exekutivkomitees, das 2010 die WM nach Katar vergeben hatte, sind inzwischen der Korruption überführt. Katar selbst hat den Vorwurf der Bestechung jedoch stets bestritten. Der Innenausschuss des Europaparlaments wiederum stimmte Anfang Dezember dafür, die Visa-Regeln für Katar und andere Länder zu erleichtern.

    Obwohl Kaili selbst kein Mitglied im Ausschuss ist, stimmte auch sie ab - dies geschah in Einklang mit den Parlamentsregeln. Das letzte Wort bei der Visa-Liberalisierung ist allerdings noch nicht gesprochen. Das Parlament muss darüber noch mit den EU-Staaten verhandeln. Der Grünen-Abgeordnete Erik Marquardt, der für das Thema im Parlament zuständig ist, stellte bereits klar, in der aktuellen Situation könne es keine Visa-Liberalisierung geben.

    Präsidentin des Europaparlaments fordert harten Kampf gegen Korruption

    Die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, hat nach der Festnahme ihrer Stellvertreterin Eva Kaili die Bedeutung des Kampfes gegen Korruption unterstrichen. "Unser Parlament steht entschieden gegen Korruption", schrieb die Politikerin aus Malta am Samstag auf Twitter. Zu den laufenden Ermittlungen gegen die griechische Vizepräsidentin - eine von 14 Stellvertretern - könne sie sich nicht äußern. Man werde jedoch vollständig mit den zuständigen Behörden kooperieren.

    Ähnlich äußerte sich die sozialdemokratische Fraktion des Parlaments. Die Fraktion habe keine Toleranz für Korruption. Zugleich müssten im Parlament die Arbeit an allen Themen, die die Golfstaaten betreffen, sowie die Plenarabstimmungen dazu ausgesetzt werden. Der Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anti-Korruption des Parlaments, Daniel Freund, zeigte sich von den Ermittlungen geschockt. "Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden", sagte der Grünen-Politiker. Geld dürfe bei den Entscheidungen in Europas größtem Parlament keine Rolle spielen. Es drohe eine gewaltiger Vertrauensverlust. (dpa)

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