Die Preise für Strom und Wärme, Sprit und Lebensmittel steigen unaufhörlich. Für immer mehr Bürger wird das zu einem immer größeren Problem. Die Bundesregierung will Auswege finden und hat dazu eine "Konzertierte Aktion" angekündigt, zu der Politik, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Bundesbank und Wissenschaftler zum Austausch geladen sind.
Kanzler Olaf Scholz sprach nach der ersten von mehreren geplanten Sitzungen von "einer historischen Herausforderung". Er mache sich große Sorgen über die explodierenden Energiekosten. "Wir werden als Land nur gut durch diese Krise kommen, wenn wir uns unterhaken", sagte er. Das erste Treffen am Montagnachmittag im Kanzleramt bildete den Auftakt für einen längerfristigen Prozess, der nach der Sommerpause zu konkreten Maßnahmen führen soll, wenn die wirkliche Dimension der Krise klarer wird.
CDU und CSU drängen zur Eile gegen Inflation
Der Union geht das nicht schnell genug. Andreas Jung, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender, sagte unserer Redaktion: "Reden ist Silber, Handeln ist Gold. Gespräche von Olaf Scholz ersetzen nicht ein konsequentes Handeln der Bundesregierung." Der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion für Klimaschutz und Energie macht dafür drei Vorschläge: "Warum initiiert der Bundeskanzler keinen Energiesparpakt von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden mit öffentlichen Gebäuden als Vorreiter? Wann wird die lange angekündigte Auktionierung für freiwillige Einsparungen in der Wirtschaft umgesetzt? Wieso gibt es für Privathaushalte keine Anreize für massenhafte Heizungsoptimierung, obwohl auch der Präsident der Bundesnetzagentur auf die großen Potenziale hinweist?"
Auf welchem Wege die Preisspirale gestoppt werden soll, darüber gehen die Meinungen aber auch in der vom Kanzler einberufenen Runde weit auseinander. Einmalzahlungen an die Beschäftigten haben die Gewerkschaften eine Absage erteilt. Die Idee einer einmaligen Geldspritze war in Berichten Scholz zugeschrieben worden, doch der hat sich inzwischen davon distanziert. Verdi-Chef Frank Werneke fordert stattdessen monatlich mehr Geld für die Arbeitnehmer: "Dauerhaft steigende Preise müssen durch dauerhaft wirkende Tariflohnsteigerungen vollumfänglich ausgeglichen werden." Rentenanpassungen und weitere Erhöhungen des Mindestlohns müssten folgen. Auch bei den Entlastungen müsse nachgeliefert werden, sagte er.
DGB will Energiepreisdeckel gegen Preisexplosion
Yasmin Fahimi, die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), plädiert für einen Energiepreisdeckel: "Für jeden Erwachsenen und jedes Kind wird ein Grundbedarf für Strom und Gas festgelegt. Für diese Menge an Kilowattstunden gibt es eine Preisgarantie", sagte sie. Zusätzlich verbrauchte Energie müsse voll bezahlt werden. Dies setze auch einen Anreiz für mehr Klimaschutz.
Den Wohlhabenden tiefer in die Tasche greifen wollen die Grünen. Nur so könnten Menschen in Grundsicherung oder mit kleinen und mittleren Einkommen entlastet werden. Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte: "Alle müssen sich nun die Frage stellen, wie sie einen Beitrag leisten können." Das gelte vor allem "für die, die sehr viel haben, für die Reichsten".
FDP warnt vor neuen Schulden
Die FDP dagegen warnt vor neuen Schulden und höheren Steuern. Laut Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner wären die "toxisch und ein Verarmungsprogramm". Ebenso kommen für ihn auch massive Erhöhungen der Staatsausgaben nicht infrage. Der Staat sei gefordert, "durch solide Finanzen zusätzlichen Preisdruck zu vermeiden".
Historisches Vorbild der "Konzertierten Aktion" von heute ist ein Gipfel der Sozialpartner im Jahr 1967, als die Bundesrepublik, das damalige "Wirtschaftswunderland", erstmals von einem deutlichen Abschwung betroffen war. Unter dem SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller sollten sich Staat, Arbeitnehmer und Wirtschaft gemeinsam auf Maßnahmen gegen die Krise verständigen.