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Konflikte: Der Moskauer Medienzirkus um die Deutsche Welle explodiert

Konflikte

Der Moskauer Medienzirkus um die Deutsche Welle explodiert

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    Geschlossenes Büro der Deutschen Welle in Moskau: Einschüchterungsversuch der gesamten Auslandspresse in Russland?
    Geschlossenes Büro der Deutschen Welle in Moskau: Einschüchterungsversuch der gesamten Auslandspresse in Russland? Foto: Alexander Zemlianichenko, dpa

    Die Zeit diplomatischer Floskeln im russischen Außenministerium ist längst vorbei, das gilt auch für den jüngsten Streit zwischen Berlin und Moskau um die Rundfunksender Deutsche Welle und Russia Today. „Nun sollen die in Berlin bloß nicht sagen, man hätte ihnen nicht angeboten, im internationalen Rechtsrahmen zu bleiben“, erklärt die Sprecherin des russischen Außenministerium Maria Sacharowa. „Wir werden uns bei unserer Antwort nicht schämen.“ Die Antwort das war das faktische Verbot des Auslandsprogramms der Deutschen Welle in Russland, nachdem zuvor die deutsche Medienaufsicht dem früher als Russia Today bekannten russischen Staatssender RT die Einstellung seines deutschen TV-Programms auferlegt hat.

    Die zuständige Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landes-Medienanstalten untersagte die Verbreitung des Fernsehprogramms RT DE, da eine nötige medienrechtliche Zulassung für ein solches Programm nicht vorliege und auch nie beantragt worden sei. Faktisch verbot die Behörde damit RT auch die Ausstrahlung des deutschen Programms im Internet und per App. RT Deutschland kündigte rechtliche Schritte an und die Chefredakteurin von RT in Russland Margarita Simonjan, bezeichnete das deutsche Verbot als „totalen Schwachsinn“ und kündigte an: „Wir stellen das Senden nicht ein.“

    Die Deutsche Welle soll in Russland als "ausländischer Agent" gelten

    Als Reaktion muss nun das Moskauer Büro der Deutschen Welle schließen Den Korrespondenten wurde die Akkreditierung entzogen, ein faktisches Arbeitsverbot in Russland. Am Freitag schloss die Deutsche Welle ihr Büro in Moskau. Die Korrespondenten hätten im russischen Außenministerium ihre Akkreditierungen abgegeben und dürften nun nicht mehr arbeiten. Auch die Ausstrahlungen des Deutsche-Welle-Programms über Satelliten und sonstige Sendungen auf dem Gebiet der Russischen Föderation sollen eingestellt werden, nachdem Russland ein Sendeverbot verhängte. Zudem will Moskau offenbar ein Verfahren einleiten, durch das der Sender als „ausländischer Agent“ gelten soll.

    Das Damoklesschwert habe schon lange über ihnen gehangen, sagen die Deutsche-Welle-Korrespondenten in Moskau. Bereits seit mehr als einem Jahr droht die russische Regierung mit „Vergeltungsmaßnahmen“, sollte das Programm von RT in Deutschland nicht zugelassen werden. RT ist ein 2005 vom russischen Staat gegründetes und finanziertes Auslandsfernsehprogramm, seit 2014 gibt es auch ein deutschsprachiges Angebot, das die „russische Sichtweise“ auf das Geschehen in der Welt sendet, so lautet der Auftrag.

    Der russische Sender Russia Today wird von Kritikern als Kremlpropaganda betrachtet

    Auf dem Gelände des früheren DDR-Fernsehens in Berlin-Adlershof, im Studio 16, produziert RT seine deutschen Inhalte für seine Website, Videoshows, die sozialen Medien und seit vergangenem Dezember auch ein Fernsehprogramm. Nach langem Streit entschieden die deutschen Medienanstalten nun, dass der Sender eine Zulassung brauche. Ein Widerspruch gegen die Entscheidung sei nicht vorgesehen, so die Kommission. Grundsätzlich könne das russische Medienunternehmen Rossija Segodnja, zu dem RT gehört, sich um eine Lizenz bemühen. Das aber dürfte laut deutschem Medienstaatsvertrag schwierig werden. Kritiker werfen RT  Kremlpropaganda und Desinformation vor.

    Das russische Außenministerium wirft Berlin Doppelmoral vor. „Wenn Deutschland auf Eskalation aus ist, dann werden wir entsprechend antworten“, sagte Ministeriumssprecherin Sacharowa am Freitag. „Wenn Deutschland sich auf eine Normalisierung der Situation einlässt, dann antworten wir auch so, dass wir bereit sind, die Lage zu normalisieren.“

    Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg kündigte an, weiter kritisch zu berichten, auch ohne Büro in Moskau: „Selbst, wenn wir es letztendlich schließen müssten, würde unsere Berichterstattung über Russland dadurch nicht beeinträchtigt. Vielmehr würden wir die Berichterstattung deutlich verstärken.“ Die Deutsche Welle wird von deutschen Steuerzahlern finanziert und ist öffentlich-rechtlich organisiert, um journalistisch unabhängig zu arbeiten. Anders als RT in Deutschland hat die Deutsche Welle in Russland offizielle Lizenzen für ihre deutschen und englischen Fernsehsender, die nach eigenen Angaben noch Jahre gültig sind.

    Claudia Roth: Umgang mit der Deutschen Welle ist eine ungerechtfertigte Eskalation

    Im deutschen Programm der deutschen Welle gibt es ein Fenster in russischer Sprache mit insgesamt 18 Stunden pro Woche. Diese Sendungen wurden bislang auch über mehrere russische Anbieter verbreitet. Kremltreue Politiker und Propagandisten hatten das russische Programm der Deutschen Welle immer wieder angefeindet.

    Kulturstaatsministerin Claudia Roth warf der russischen Regierung einen Einschüchterungsversuch der gesamten ausländischen Presse vor: „Es handelt sich um eine massive und aus unserer Sicht völlig ungerechtfertigte Eskalation, die Angst und Schrecken unter den ausländischen Journalistinnen und Journalisten in Russland verbreiten und freie Berichterstattung in und aus Russland weiter einschränken soll“, sagte sie unserer Redaktion. „Es macht mich traurig und auch ein bisschen wütend, wenn trotz unserer Bemühungen und trotz allen Erklärens offenbar ein Vorwand gesucht wurde, um gegen die Deutsche Welle und die freie Pressearbeit in Russland vorzugehen.“

    Roth betonte, dass die Fälle Deutsche Welleund RT Deutschland völlig unterschiedlich seien: „RT DE kann nach wie vor journalistisch in Deutschland arbeiten, das wird auch nicht eingeschränkt, sondern durch die deutschen Gesetze geschützt“, sagte die Grünen-Politikerin. „Die Lizenzfrage tangiert die freie Pressearbeit nicht“, betonte sie. „Ohne Lizenz darf in Deutschland nicht gesendet werden“, fügte sie hinzu. „Diese Regeln gelten für alle anderen Sender genauso.“ Es ist extrem wichtig, die Unterschiede deutlich zu machen: „Die Deutsche Welle ist staatsfern organisiert und frei in ihren redaktionellen Inhalten und ihrer Arbeitsweise.“

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