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Konflikt Israel-Hisbollah: Furcht vor großem Libanon-Krieg wächst

Nahost

Die Furcht vor einem großen Krieg im Libanon wächst

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    Leben unter ständiger Angst: Ein Mann geht an einem beschädigten Geschäft in Kirjat Schmona im Norden Israels vorbei, das mutmaßlich bei Angriffen aus dem Libanon getroffen worden war.
    Leben unter ständiger Angst: Ein Mann geht an einem beschädigten Geschäft in Kirjat Schmona im Norden Israels vorbei, das mutmaßlich bei Angriffen aus dem Libanon getroffen worden war. Foto: Leo Correa, AP/dpa

    Im Schatten des Gazakrieges mehren sich die Zeichen, dass Israel auf eine Eskalation mit der libanesischen Hisbollah zusteuern könnte. Am Montagabend beschloss Israels Sicherheitskabinett ein neues Kriegsziel: Die rund 60.000 Bewohner der Dörfer und Städte im Norden des Landes, die kurz nach Beginn der Angriffe der Hisbollah im Oktober evakuiert worden waren, sollen nach Hause zurückkehren können. „Israel wird weiter handeln, um dieses Ziel zu erreichen“, teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit.

    Seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober vergangenen Jahres feuert die schiitisch-islamistische Hisbollah, die wie die Hamas von westlichen Staaten als Terrororganisation gelistet und vom Iran gefördert wird, nahezu täglich Drohnen und Raketen auf nordisraelische Städte und Dörfer. Im Gegenzug bombardiert Israels Armee, die IDF, Stellungen der Hisbollah im Libanon. Immer wieder kommen bei den Gefechten Menschen auf beiden Seiten der Grenze zu Schaden: Ende Juli etwa starben zwölf Kinder und Jugendliche, als eine Rakete aus dem Libanon in einem Fußballfeld in der drusischen Stadt Majdal Shams auf dem israelisch kontrollierten Golan einschlug. Kurz darauf tötete die IDF einen hochrangigen Hisbollah-Kommandeur, Fuad Shukr, mit einem gezielten Luftschlag in Südbeirut. Die Hisbollah reagierte darauf Ende August mit dem Abschuss Hunderter Drohnen und Raketen, die überwiegend von Israels Luftabwehr abgefangen wurden.

    Hisbollah-Chef Nasrallah will mit dem Beschuss fortfahren

    Aussicht auf eine baldige Beruhigung gibt es nicht, auch wenn sich die US-Regierung seit Monaten um eine diplomatische Lösung bemüht: Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat wiederholt verkündet, mit dem Beschuss fortzufahren, solange der Krieg im Gazastreifen anhält. In den Verhandlungen um eine Waffenruhe in Gaza wiederum zeichnet sich trotz intensiver Bemühungen der internationalen Unterhändler kein Durchbruch ab. Im Gegenteil: Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben vom Dienstag im Südlibanon drei Mitglieder der proiranischen Hisbollah getötet. Bei dem Angriff auf den Ort Blida unweit der israelischen Grenze wurden nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums auch zwei Menschen verletzt. Die Hisbollah äußerte sich zu der Angelegenheit zunächst nicht. Sie reklamierte aber mehrere Angriffe auf Ziele im Norden Israels für sich. Das israelische Militär gab darüber hinaus an, weitere Gebiete im Libanon mit Artillerie angegriffen zu haben.

    Je länger die Gefechte im Norden dauern, desto lauter werden in Israel jene Stimmen, die ein entschiedeneres militärisches Vorgehen fordern. Vergangene Woche hatte Verteidigungsminister Joav Galant verkündet, die Hamas „als militärische Organisation“ existiere im Gazastreifen nicht mehr. „Der Schwerpunkt verschiebt sich in den Norden.“ Am Montag warnte er, die Chance auf eine diplomatische Lösung mit der Hisbollah schwinde. Und Ende letzter Woche verkündete der Kommandeur der 179. Panzerbrigade der IDF, die Brigade habe ihr Training für eine Bodenoperation im Libanon abgeschlossen.

    Will Israels Regierungschef Netanjahu Verteidigungsminister Galant feuern?

    Dazu kommen hartnäckige Gerüchte, Netanjahu plane, Galant zu feuern und durch Gideon Sa’ar zu ersetzen, einen früheren Parteifreund, dem Ambitionen nachgesagt werden, Netanjahus Nachfolge an der Spitze der rechten Likudpartei anzutreten. Womöglich könnte dies Netanjahu die Entscheidung zu einem größeren Waffengang im Libanon erleichtern: Von Sa’ar dürfte weniger Widerstand zu erwarten sein als von dem rebellischen Galant, der sich schon mehrfach öffentlich gegen Netanjahu gestellt hat.

    Itamar Ben-Gvir, Minister für nationale Sicherheit und Chef der rechtsextremen Partei Jüdische Stärke, fordert dessen Entlassung öffentlich: „Wir brauchen eine Entscheidung im Norden, und Galant ist nicht der Richtige dafür“, schrieb er am Montag auf der Plattform X.

    Auch Israel könnte in einem neuen Krieg im Libanon einen hohen Preis zahlen

    Für den heruntergewirtschafteten Libanon dürfte ein Krieg katastrophale Folgen haben. Wie angespannt die Stimmung ist, zeigte sich am Dienstag: Bei einem mutmaßlich koordinierten Angriff sind Hunderte Menschen verletzt worden - durch explodierende Telekommunikationsgeräte. Das erfuhr die dpa aus Kreisen eines Krankenhauses in einem südlichen Vorort der Hauptstadt Beirut. Dort seien rund 300 Verletzte eingeliefert worden. Aus Kreisen der Hisbollah hieß es, dass zahlreiche Mitglieder der Schiiten-Miliz verletzt worden seien. Offizielle Zahlen zu den Opfern gab es zunächst nicht. In Videos von Überwachungskameras war zu sehen, wie es etwa in Supermärkten zu kleineren Explosionen kam. Teils lagen Menschen danach am Boden. Die Explosionen ereigneten sich örtlichen Medien zufolge in den südlichen Vororten Beiruts, wo die Hisbollah besonders stark ist, sowie im Süden des Landes. Ob es Tote gab, war zunächst nicht klar.

    Doch manche israelische Analysten fürchten, auch Israel könnte einen hohen Preis zahlen: Schätzungen zufolge besitzt die Hisbollah rund 150.000 Raketen. Einem Bericht der Jerusalem Post zufolge soll es die Angst vor hohen zivilen Opferzahlen gewesen sein, die Netanjahu lange von einer Eskalation abgehalten haben soll. Der Erfolg der israelischen Luftabwehr bei dem massiven Angriff der Hisbollah Ende August aber soll ihm diese Angst genommen haben. „Plötzlich hat Netanjahu ein neues Selbstbewusstsein: dass er es sich eine große Operation gegen die Hisbollah tatsächlich leisten kann – mit viel weniger Verlusten an der Heimatfront, als er erwartet hatte.“

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