Die Bundesregierung will in den nächsten Monaten intensiv prüfen, inwiefern Flüchtlinge Schutz in sicheren Ländern außerhalb Europas erhalten können. Das gab Bundeskanzler Olaf Scholz am späten Donnerstagabend nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder bekannt. Dafür hat sich die Bundesregierung eine Frist von sechs Monaten gesetzt. „Wir haben uns fest vorgenommen, dass, wenn wir im Dezember wieder zusammenkommen, es eine weitere Erörterung gibt“, sagte der SPD-Politiker nach mehrstündigen Beratungen im Kanzleramt. „Wir wissen schon jetzt, dass nicht alles so einfach geht“, meinte der Kanzler bezüglich der Erfolgschancen dieses umstrittenen Ansatzes in der Asylpolitik.
Als Vorbild der deutschen Diskussion dient das britische Ansinnen, illegale Migranten in das ostafrikanische Land Ruanda zu schaffen, wo sie Schutz erhalten sollen. Großbritannien will die ruandische Regierung für die Aufnahme bezahlen. Doch über Verhandlungen ist das Projekt bislang nicht herausgekommen. Das zweite Modell, das diskutiert wird, ist das italienisch-albanische. Auf dem Mittelmeer von italienischen Schiffen gerettete Flüchtlinge sollen direkt nach Albanien gebracht werden, wo ihr Asylverfahren geprüft wird. Das haben Rom und Tirana vereinbart.
Eine Analyse des Bundesinnenministeriums kommt zu dem Ergebnis, dass weder das Ruanda- noch das Albanien-Modell für Deutschland geeignet sind. „Mit Blick auf Deutschland ist erkennbar geworden, dass extraterritoriale Modelle (…) unter den gegebenen rechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen in dieser Form nicht übertragbar wären“, heißt es in dem Papier.
Die Union macht Druck bei der Asylpolitik
Vor allem die von CDU und CSU regierten Bundesländern machen Druck für diese Zäsur im Umgang mit Migranten. “Das ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einem praktikablen Modell“, sagte der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenz. Er begründete eine Eindämmung der Migration nach Deutschland mit der Überforderung der Städte und Gemeinden bei Schulplätzen und freien Wohnungen sowie dem Ausgang der Europawahl. „Die Wahlergebnisse haben nach meinem Dafürhalten den Handlungsdruck … noch einmal sehr deutlich gemacht“, betonte Rhein. Der CDU-Mann ist Vorsitzender Ministerpräsidentenkonferenz.
Explizit gegen die in Rede stehende Verschärfung des Asylrechts stellten sich Thüringen und Bremen. Die gemeinsame europäische Asylpolitik müsse die Rechtsstaatlichkeit der Verfahren und Humanität sicherstellen, heißt es in der gemeinsamen Protokollerklärung. In beiden Ländern regiert jeweils eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken.
Bereits vor der Runde mit dem Kanzler hatten sich die Ministerpräsidenten bei einem separaten Treffen darauf verständigt, dass Asylbewerber pro Monat nur 50 Euro mit ihrer Bezahlkarte bar abheben dürfen. „Das ist ein wichtiges Zeichen, dass die Länder hier einig sind“, sagte Rhein. Seinen Worten zufolge machen 13 von 16 Ländern bei dieser Regelung mit.
Linke fordert staatliche Seenotrettung im Mittelmeer
Während die Länder mit den Ausnahme Bremen und Thüringen mit der Ampel-Regierung zumindest rhetorisch bei der Verschärfung der Migrationspolitik übereinstimmen, setzt die Linke einen Kontrapunkt. Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert verlangt die Wiederaufnahme staatlicher Seenotrettung im Mittelmeer, damit weniger Flüchtlinge in den Fluten ertrinken. „Täglich riskieren Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und Elend ihr Leben, um Europa zu erreichen. Zu viele dieser verzweifelten Menschen ertrinken, weil es keine ausreichende Seenotrettung gibt“, sagte Schubert unserer Redaktion. Die Linken-Politikerin verlangte daher die Schließung der EU-Grenzschutzagentur Frontex und den Aufbau einer staatlichen Seenotrettungsagentur. Es sei Aufgabe Deutschlands und Europas, den Schutzsuchenden zu helfen.
Kein Übereinkommen erzielten Bund und Länder über die Einführung einer Pflichtversicherung gegen die Zerstörungen von Naturkatastrophen. Bundesjustizminister Marco Buschmann legte während der Beratungen laut Teilnehmern dar, warum er gegen die Pflichtvariante ist. Die gesetzliche Grundlage dafür müsste der Bund schaffen. Vergangenen Freitag hatten sich die Länder im Bundesrat für die verpflichtende Police ausgesprochen. Die Gespräche sollen nun fortgesetzt werden.