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Kommunalwahlen Türkei: Niederlage für Erdogan und die AKP, Imamoglu will Präsident werden

Türkei

Erdogan erlebt bei den Kommunalwahlen in der Türkei ein Debakel

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    "Wir haben die erhofften Ergebnisse nicht erreichen können": Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan musste die Niederlage seiner Partei bei den Kommunalwahlen einräumen.
    "Wir haben die erhofften Ergebnisse nicht erreichen können": Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan musste die Niederlage seiner Partei bei den Kommunalwahlen einräumen. Foto: Francisco Seco/AP, dpa

    Der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu nimmt nach seinem neuen Wahlsieg am Bosporus das Präsidentenamt ins Visier. „Die Türkei ist auf einem neuen Weg“, sagte Imamoglu in der Nacht zum Montag in Istanbul. „Die Demokratie in der Türkei erlebt eine Wiedergeburt.“ Bei den türkischen Kommunalwahlen verteidigte Imamoglu sein Amt in der größten Stadt des Landes; seine Partei CHP wurde zur landesweit stärksten Kraft und besiegte die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren. Erdogan räumte die Niederlage ein und kündigte „Selbstkritik“ an.

    Experten werten die Wahl als Wegscheide für die Türkei. Soli Özel von der Istanbuler Kadir-Has-Universität sagte, das Ergebnis sei eine „tektonische Verschiebung, wie man sie sich kaum vorstellen konnte“. Für die AKP und Erdogan sei der Wahltag eine „vernichtende Niederlage“, sagte Özel unserer Redaktion.

    Imamoglu siegt in Istanbul mit 51 Prozent der Stimmen

    In Istanbul siegte Imamoglu laut Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit 51 Prozent der Stimmen klar gegen den AKP-Bürgermeisterkandidaten Murat Kurum, der auf knapp 40 Prozent kam. Imamoglu war 2019 erstmals in das Amt gewählt worden; damals ließ Erdogan die Wahl wiederholen, um Imamoglu aus dem Rathaus fernzuhalten, was ihm nicht gelang.

    Strahlender Sieger: Ekrem Imamoglu, Bürgermeister von Istanbul, spricht zu seinen Anhängern, die sich vor dem Rathaus versammeln.
    Strahlender Sieger: Ekrem Imamoglu, Bürgermeister von Istanbul, spricht zu seinen Anhängern, die sich vor dem Rathaus versammeln. Foto: Khalil Hamra/AP, dpa

    Der 53-jährige Imamoglu, der wie Erdogan von der türkischen Schwarzmeerküste stammt, schuf mit seinem erneuten Erfolg am Sonntag die Grundlage, um den 70-jährigen Staatschef bei der nächsten Präsidentenwahl in vier Jahren herauszufordern: Istanbul ist mit Abstand die reichste und bevölkerungsstärkste Stadt der Türkei und stellt elf Millionen der 61 Millionen Wähler des Landes. Die türkische Opposition habe seit 21 Jahren das Problem gehabt, keinen glaubwürdigen Herausforderer gegen Erdogan gefunden zu haben, sagte Özel. „Jetzt hat sie einen. Imamoglu ist der Gegenkandidat und vielleicht der nächste Präsident dieses Landes.“

    Oppositionelle CHP landesweit vor Regierungspartei AKP

    Noch deutlicher als in Istanbul fiel der Sieg der CHP in Ankara aus: Dort verteidigte Amtsinhaber Mansur Yavas sein Amt mit 60 Prozent der Stimmen gegen den AKP-Bewerber Turgut Altinok, der bei 32 Prozent blieb. Die CHP löste die AKP zudem in der Industriestadt Bursa als Regierungspartei ab, behauptete sich in ihrer Hochburg Izmir und gewann die Wahlen in weiteren Gegenden Anatoliens, darunter in der konservativen Provinz Sivas. Insgesamt kam die CHP nach Anadolu-Zahlen landesweit auf 37,7 Prozent und lag damit mehr als zwei Prozentpunkte vor der AKP.

    Im zentralanatolischen Yozgat und im südostanatolischen Sanliurfa verlor die AKP gegen die islamistische Neue Wohlfahrtspartei (YRP) – auch das war ein Novum: Nie zuvor seit ihrer Gründung im Jahr 2001 ist die AKP bisher von Konkurrenz aus dem islamisch-konservativen Lager geschlagen worden. 

    Erdogan räumt die Niederlage ein

    Imamoglu versprach, die starke Polarisierung in der türkischen Gesellschaft werde einer neuen Einheit weichen. Der Sieg der Opposition sei „eine wichtige Botschaft an die Welt“, die in den vergangenen Jahren den Aufstieg von Autokraten erlebt habe. Nun sei „die Erosion der Demokratie in der Türkei“ beendet. CHP-Chef Özgür Özel sagte, die CHP werde bei der nächsten Wahl 2028 die Regierung übernehmen. 

    Erdogan räumte seine Niederlage ein: „Wir haben die erhofften Ergebnisse nicht erreichen können“, sagte der Präsident in Ankara. Die Kommunalwahl sei aber kein Ende, sondern ein Wendepunkt, denn die Regierung werde aus ihren Fehlern lernen. 

    Der Politologe Berk Esen von der Istanbuler Sabanci-Universität führt das Wahlergebnis auf ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren zurück: „die schlechte Wirtschaftslage, unter der die Menschen in den Großstädten besonders zu leiden haben, die Sparpolitik der Regierung, die Weigerung der Regierung, die Renten zu erhöhen“. Offenbar blieben viele AKP-Wähler am Sonntag aus Protest gegen Erdogans Regierung zu Hause. Die Wahlbeteiligung lag bei 78 Prozent und damit sieben Prozentpunkte niedriger als 2019.

    Experte: Neue Bündnisse sind in der Türkei möglich

    Die Wahl sei „die schwerste Niederlage in Erdogans Karriere“, sagte Esen. Die Opposition werde sich jetzt weiter konsolidieren. „Für Erdogan könnte das jetzt tatsächlich der Anfang vom Ende sein.“

    Murat Somer von der Özyegin-Universität in Istanbul sagte unserer Redaktion, die Opposition verdanke ihren Erfolg den Lehren aus der Niederlage gegen Erdogan bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Mai vergangenen Jahres. Imamoglu habe damals eine Reformbewegung innerhalb der Opposition angestoßen, wofür er und die CHP jetzt belohnt worden seien. Erdogan dagegen habe sich in den vergangenen Jahren mit so vielen Bündnispartnern überworfen, dass er jetzt „in der Ecke“ stehe. Wenn AKP-Abgeordnete nun erwarten müssten, bei der nächsten Wahl 2028 ihre Sitze zu verlieren, könne es schon vor diesem Wahldatum neue Bündnisse und Veränderungen geben.

    Auch Politik-Dozent Özel sieht schwere Zeiten auf Erdogan zukommen. Der Präsident müsse sich nach der Wahlniederlage um die türkische Wirtschaft kümmern, was schmerzhafte Entscheidungen für AKP-Wähler bedeute. „Erdogan ist ein Kämpfer – aber er ist ein müder Kämpfer.“

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