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Kommentar zum möglichen Bundestags-Aus: Die FDP wird noch gebraucht

Kommentar

Die FDP wird noch gebraucht!

Rudi Wais
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    FDP-Chef Christian Lindner will Aufbruchstimmung vermitteln.
    FDP-Chef Christian Lindner will Aufbruchstimmung vermitteln. Foto: Bernd Weißbrod, dpa

    Not kennt kein Gebot. „FDP wählen, damit Kohl Kanzler bleibt“, plakatierten die schwächelnden Liberalen im Bundestagswahlkampf 1994  -  ein bis heute unerreichter Höhepunkt der politischen Selbstverleugnung, den Guido Westerwelle acht Jahre später mit seiner Theorie von der Äquidistanz endgültig vergessen machen wollte. Die FDP, so argumentierte der neue Parteichef damals, dürfe nicht nur der Steigbügelhalter der Union sein, sondern müsse sich auch für Koalitionen mit anderen Parteien öffnen.  

    Christian Lindner, der amtierende Vorsitzende, geht nun einen Schritt zurück und bewirbt die FDP wieder als natürlichen Partner der Union. Nur in dieser Konstellation, sagt er, seien in Deutschland noch größere Reformen möglich. Nach dem Kleinkrieg mit Sozialdemokraten und Grünen in der Ampel ist das aus seiner Sicht verständlich.  Gleichzeitig aber macht Lindner die Partei damit noch kleiner, als sie ohnehin schon ist. Die FDP soll nicht um ihrer selbst willen gewählt werden, sondern vor allem als eine Art Mittel zum Zweck. Anders als Kohl, der die Liberalen brauchte, um Rot-Grün zu verhindern, kann Friedrich Merz allerdings auch anders - zum Beispiel mit der SPD.

    Auch Friedrich Merz punktet mit Wirtschaftskompetenz

    Dazu kommt ein Problem, das die FDP in früheren Wahlkämpfen nicht hatte:  Helmut Kohl und Angela Merkel ist die Wirtschafts- und Standortpolitik in ihren Kanzlerjahren immer etwas fremd geblieben, entsprechend viel Raum haben sie der FDP hier zur Profilierung gelassen. Merz dagegen ist ein ausgewiesener Wirtschaftsmann, der in vielen ökonomischen Fragen den Liberalen nähersteht als seiner eigenen Partei.  Damit ist er auch für Wähler, die ihr Kreuz bisher im Zweifel bei der FDP gemacht haben, ein interessanter Kandidat.  Im ungünstigsten Fall kostet die Freien Demokraten das  genau die Stimmen, die sie benötigen, um im Bundestag zu bleiben.

    Ein Parlament ohne eine liberale Stimme aber wäre bei allen politischen Unterschieden ein sehr konformistisches Parlament. Die FDP ist die einzige Partei im deutschen Parteienspektrum, die den Staat aus kritischer Distanz betrachtet, die ihn nicht alles und jedes regeln lassen will, die ihn nicht für den besseren Unternehmer hält und die Eigenverantwortung vor das Kollektiv setzt. In einem Land, dessen Menschen sich mehrheitlich einen starken Staat wünschen, der auch regulierend in Märkte eingreift, ist das eine wenig populäre, dafür aber umso notwendigerer Position.   Die Debatten um Bürokratieabbau, Steuersenkungen oder das Bürgergeld  kreisen letztlich ja alle um den gleichen Kern: Was muss der Staat leisten, was kann er noch leisten und wie viel Geld braucht er dafür?  Ein starker Staat muss ja nicht zwingend ein teurer, adipöser Staat sein. Eine konsequente Asyl- und eine forderndere Arbeitsmarktpolitik würden ihn finanziell sogar entlasten.

    Vom Ampel-Aus hat die FDP bisher nicht profitiert

    Im beginnenden Wahlkampf versucht Lindner, die FDP hier wieder sichtbarer zu machen und den Etatisten in den anderen Parteien etwas entgegenzusetzen. Bei Umfragewerten zwischen vier und fünf Prozent aber bewegt sich der FDP-Chef damit noch auf sehr unsicherem Grund. Anders als erwartet hat die Partei vom Ampel-Aus nicht profitiert, sondern durch die Debatten um ihr Drehbuch für den Ausstieg und den Sympathien ihres Vorsitzenden für die disruptiven Ideen eines Elon Musk oder eines Javier Milei sogar noch einen Shitstorm der Empörung geerntet. Die Deutschen sind ein Volk, das Veränderungen scheut - und genau das ist im Moment die vielleicht größte Gefahr für die FDP.

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    9 Kommentare
    Rainer Kraus

    Die FDP hat 80 Jahre lang von unserem "Parteien-Wahlsystem" partizipiert ohne je eigene oder gute Arbeit für den Staat geleistet zu haben. Ergo: Deshalb, weder gut noch schlecht sondern erst gar nicht mitregieren.

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    Klemens Hain

    Da bin ich voll und ganz auch Ihrer Meinung Herr Kraus!!

    Peter Zimmermann

    Na ja zu Zeiten von Baum und Genscher konnte man noch was mit der FDP anfangen danach entwickelte sie sich zusehend zu einer Klientelpartei und zwar eine recht kleines dafür aber wirtschaftlich auf höherer Stufe.

    Maria Reichenauer

    Genau so ist es, Herr Zimmermann. Genscher, Baum, Hamm-Brücher – das waren Menschen, denen man Respekt Seiten entegegenbringen konnte, auch wenn man kein FDP-Wähler war. Lindner ist nur ein Möchtegern-Klientel-Politiker, der auffallen will, um von seiner Klientel gesehen zu werden.

    Robert Miehle-Huang

    Genau. Jeder wird gebraucht und wenn auch nur als schlechtes Beispiel.

    Norbert Hübner

    Herr Lindner und seine Vasallen haben das Land die letzten Monate vor dem Ampel-Aus systematisch blockiert, solche Politiker und diese Partei haben für mich jeglichen Kredit verspielt und sollten froh sein, nicht angezeigt zu werden. Nobby Die Stimme der Rosenau

    Raimund Kamm

    Rudi Wais: >>Merz dagegen ist ein ausgewiesener Wirtschaftsmann, ...<< Friedrich Merz ist nur Jurist. Er war zwar in diversen Aufsichtsräten aber nie in verantwortlicher Stellung im operativen Management. Gearbeitet hat er vorrangig als Lobbyist und Rechtsanwalt. Wirtschaftspolitisch inkompetent zeigte er sich im Frühjahr 2022 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Er forderte ein Ende des Gasbezugs durch die Pipeline Nordstream 1, einige seiner CDU-Kollegen sogar ein vollständiges Embargo gegen russisches Erdgas. Da aber Deutschland unter Führung von CSU-Wirtschaftsministern Altmaier & Co sich abhängig von russischem Erdgas gemacht hat, und nichts gegen die Nichtbefüllung der deutschen Erdgasspeicher ab Frühsommer 2021 unternommen hatte, wäre Deutschlands Wirtschaft (Chemieindustrie, Kraftwerke usw. ) dann in die Knie gegangen. Kompetent hingegen war die Antwort von Wirtschaftsminister Habeck. Raimund Kamm

    Wolfgang Boeldt

    Die FDP hat leider zu viel von ihrem ursprünglichen liberalen Profil verloren. Es ging so langsam mit den Vorsitzenden Bangemann und Graf Lambsdorff los. Ich sehe bei der Partei aktuell keinen Ansatz zu einer Art Rehabilitierung eines Liberalismus. Könnte auch daran liegen, daß liberales Gedankengut eher verpönt ist, denn das hieße ja u.a. mehr Eigenverantwortung und weniger staaliche Bevormundung.

    Martin Dünzl

    Eine Partei, die allen Wahlumfragen zufolge lediglich unter "Sonstige" rangiert, wird hier relativ viel Aufmerksamkeit zuteil! @AZ: Freue mich auf weitere Artikel zu weiteren sonstigen Parteien im Vorfeld der Bundestagswahl!

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