Folgt man den Erzählungen heutiger Regierungsmitglieder, dann gab es in den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP genau zwei Ministerien, die keine Partei wirklich haben wollte: Das Verkehrsministerium und das Verteidigungsministerium. Beide Resorts gelten als schwierig und stehen in dem Ruf, der Chefin oder dem Chef kaum Luft zur Profilierung zu lassen. Vor allem das Verteidigungsministerium schleppt viele Altlasten mit sich herum. Modernität und Traditionsbewusstsein, Zivilisten und Uniformierte müssen unter einen Hut gebracht werden. Auch Amtsinhaberin Christine Lambrecht soll sich dem Vernehmen nach nicht gerade um den Job gerissen haben. Derzeit, soweit man es nach noch nicht einmal 100 Tagen im Amt sagen kann, ist die SPD-Politikerin auf dem Posten genau richtig.
Lambrecht ist nicht vom Fach? Geschenkt. Ihre Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) war es nicht, sie hatte im Gegensatz zur ehemaligen Justizministerin Lambrecht nicht einmal Erfahrung als Bundesministerin. Peter Struck gilt immer noch als einer der beliebtesten Verteidigungsminister überhaupt, auch der verstorbene SPD-Politiker war fachfremd, hatte keinen Wehrdienst geleistet.
Lambrecht bringt Ruhe in die "Zeitenwende"
Die von Kanzler Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ lässt bei vielen Militärs die Augen glänzen. Noch mehr Geld, noch mehr Waffen, noch mehr Munition – das freut das Soldatenherz. In seinem Tagesbefehl vom Dienstag bejubelt Generalinspekteur Eberhard Zorn bereits eine deutsche Armee, die zur „hochintensiven Gefechtsführung“ in der Lage ist. Während die gesellschaftliche Debatte über die künftige Rolle der Bundeswehr noch gar nicht begonnen hat, scheinen sie einige Bürger in Uniform bereits abgehakt zu haben.
Das erfordert eine Ministerin, die Leitplanken setzt und die Debatte mit ihren vielfältigen Aspekten – mehr Bewaffnung, Wiedereinführung der Wehrpflicht, Stärkung der Landesverteidigung und einiges mehr – in geordnete Bahnen lenkt. Der Ukraine-Krieg und die mögliche Bedrohung anderer europäischer Staaten verursachen genug Unruhe in den Köpfen. Was es da jetzt gar nicht braucht, wäre eine hitzköpfige Ressortchefin.
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