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Kommentar: Wo sind all die Wähler der FDP geblieben?

Kommentar

Wo sind all die Wähler der FDP geblieben?

Margit Hufnagel
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    Christian Lindner gibt als Parteichef die Linie der FDP vor. Doch die Wähler laufen ihm davon.
    Christian Lindner gibt als Parteichef die Linie der FDP vor. Doch die Wähler laufen ihm davon. Foto: Sören Stache, dpa

    4,6 – 4,7 – 5,9 – 6,5 – 4,8. Jede Zahl ein kleiner politischer Nadelstich. Es sind die Ergebnisse, die die FDP in diesem und im vergangenen Jahr eingefahren hat. Gleich dreimal hat sie die Fünf-Prozent-Hürde gerissen. Für die Liberalen läuft es nicht gut. Doch fünf verpatzte Landtagswahlen hintereinander könnten nicht mehr sein als ein bitterer Vorgeschmack. Im Bund ist die Wahl zwar noch weit weg, doch zumindest, wenn man auf die Umfragen schaut, sieht es auch hier mehr als düster aus: Von den Wahlberechtigten, die bei der letzten Bundestagswahl die FDP gewählt haben, würden laut einer Forsa-Erhebung fast 60 Prozent Ende Februar 2023 ihre Stimme nicht mehr der FDP, sondern einer anderen Partei geben oder (noch schlimmer) gar nicht an der Wahl teilnehmen.

    Trotzdem wiederholt Parteichef Christian Lindner sein immer gleiches Mantra: Seine Partei werde an ihrem Kurs festhalten, sich keinem Zeitgeist beugen. Nun kann man die Lage der FPD aus zwei Richtungen bewerten, die zu einem jeweils anderen Ergebnis kommen. Die eine Lesart – es dürfte die von Lindner sein - besagt: Die FDP muss ihren Prinzipien treu bleiben und dafür in Kauf nehmen, dass sie sich immer auf dünnem Eis bewegt. Dieses Risiko kann sie auch deshalb eingehen, weil sie trotzdem gute Chancen auf Regierungsbeteiligungen hat. In einer politischen Landschaft wie der deutschen kommt den Kleinen große Macht zu - sie sind es am Ende, die über die Koalition entscheiden können. So war es zuletzt auch bei der Bildung der Ampel-Regierung: SPD und Union mussten um ihre Koalitionspartner buhlen. Eine andere Lesart ist: Die FDP sollte sich zu schade sein, nur der Steigbügelhalter von SPD und Union zu sein. Sie muss es aus eigener Kraft schaffen, ihr Wählerpotenzial zu steigern. Doch dazu, das ist die schlechte Nachricht für die Liberalen, muss sie sich verändern.

    Die FDP könnte in vielen Bereichen vorangehen

    Nun könnte man meinen, die Zeiten sind einfach zu schwierig, als dass die FDP sich am eigenen Schopf aus dem Treibsand ziehen könnte. Der Staat muss immer neues Geld in die Wirtschaft pumpen, der Haushalt ist am Limit, mit SPD und Grünen haben die Liberalen zwei Partner an der Seite, die ganz andere Prinzipien an ihre Politik anlegen. Doch wer genau hinschaut, kann erkennen: Die FDP müsste nur die Chancen nutzen, die ihr angeboten werden. Lange nicht war das Land so bereit für Veränderungen, wie es das jetzt ist. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Digitalisierung nicht nur Wunsch, sondern dringende Notwendigkeit ist. Der Klimawandel zwingt Unternehmen dazu, sich neu aufzustellen. Weniger Bürokratie, weniger Festhalten an alten Strukturen, mehr Tempo, mehr Fortschritt – wie leicht könnten die Liberalen es sein, die SPD und Grüne antreiben.

    Stattdessen hat sich die Partei das Image des ewigen Bremsers zugelegt. Verbrenner, Gasheizungen: Es wirkt, als ob sich die FDP mit aller Gewalt am Gestern festhalten will, ohne zu bemerken, dass sich die Gesellschaft schon längst weiterentwickelt hat. Die Folgen sind in einer Forsa-Untersuchung ablesbar: "Die FDP wandelt sich von einer Klientelpartei für den Mittelstand zu einer Protestpartei für die jungen Männer." Junge Männer, die "mit ihrer Entscheidung für die FDP gegen die aus ihrer Sicht zunehmende Feminisierung der Arbeitswelt und des Wirtschaftslebens protestieren wollen". Überschrieben ist die Erhebung übrigens und völlig zu Recht mit den Worten "Erosion der FDP". 

    Das heißt nicht, dass sich die Liberalen sozialdemokratisieren oder vergrünen sollen – im Zweifel wählen Wählerinnen und Wähler ohnehin lieber das Original. Aber eine Idee, die ins Morgen blickt und nicht nur ins Gestern, würde helfen.

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