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Kommentar: Witz in der Klemme: Was kann, muss, darf Kabarett heute sagen?

Kommentar

Witz in der Klemme: Was kann, muss, darf Kabarett heute sagen?

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    Witz in der Klemme: Was kann, muss, darf Kabarett heute sagen?
    Witz in der Klemme: Was kann, muss, darf Kabarett heute sagen? Foto: dpa

    Bitte nicht lachen, die Lage scheint ernst im Humorgeschäft. Monika Gruber läuft Sturm und heiß gegen die "Heizungsideologie", poltert in Erding an Hubert Aiwangers Seite, die AfD applaudiert ihr. Darauf erklärt ihr Kollege Christian Springer, dass man Gruber in der Branche längst die "Pegida-Moni" nenne. 

    Er fürchtet: "Kabarett driftet nach rechts." Fest steht, die Branche befindet sich auf Kollisionskurs – in den eigenen Reihen. Jetzt hat die Kabarettistin Christine Prayon verkündet, dass sie die ZDF-"Heute Show" verlässt: "Ich habe mit der Art, wie die großen gesellschaftlich prägenden Themen seit Corona behandelt werden, zunehmend Bauchschmerzen bekommen." Linker Haken, rechte Gerade, das politische Kabarett liegt mit sich selbst im Clinch. Geht dem Witzgewerbe der Spaß aus?

    Monika Gruber und der Skandal von Erding

    Wo der Spaß endet? Dort, wo die Grenze fällt zwischen dem gespielten Grant und der wirklichen Wut. Wenn Monika Gruber als Kellnerin Monique gegen die "Großkopferten" tobt oder Gerhard Polt in schillerndsten Farben der bayerischen Mundart grantelt ("Brunzkachn, oagsoachte!"), baut das auf einen doppelten Boden. Aber wo Kabarett ohne Kunstanspruch und Distanz, also völlig aus und von der Rolle in die Attacke geht, verlässt es sein eigenes Spielfeld. Da schießen Beleidigungen und gröbste Spitzen ohne Spuren von Ironie hin und her – gegen das andere politische Ufer, auch gegen Kollegen aus der eigenen Zunft.

    Wo der Spaß endet? Dort, wo der Kabarettist dem Politiker das Mikrofon reicht. Ja, Gruber sprach in Erding als Bürgerin und Privatperson, das ist ihr gutes Recht. Aber wie sauber lässt sich dieser Auftritt von ihrem Beruf trennen? Einer x-beliebigen "Gruberin" wären nicht 13.000 Menschen gefolgt, sie nutzte ihre Reichweite. So gab da eine Kabarettistin prominent Wahlhilfe für Aiwanger, der mit populistischen Phrasen spielt, vielleicht ja ohne dass sie es wollte. Ist das noch Kleinkunst? Kleine Kunst, große Wucht, eine Gruber füllt die Hallen, so wie – in einer anderen politischen Ecke des Rings – zum Beispiel Carolin Kebekus. Ein Dieter Nuhr parkt solide auf seinem Dauersendeplatz und äußert sich trotzdem besorgt um die Meinungsfreiheit im Land. Während Jan Böhmermann mit einer Parodie von Nuhrs Show auch gegen Nuhrs Publikum ätzte. Das ist Witz mit Macht. Der sich parteipolitisch nicht vereinnahmen lassen sollte.

    Jeder Kabarettist definiert die "Mitte der Gesellschaft" für sich

    Wo der Spaß endet? Wenn Humor nur eine Zielgruppe kennt. Früher skandierten die Kabarettisten einhellig "Willy wählen!", Dieter Hildebrandt und Freunde trommelten für die SPD. Heute definiert jeder Kabarettist die "Mitte der Gesellschaft", für die er spricht, auf seine Weise. Ganz nach Laune. Gruber verkauft in ihrem Fanshop eine Fußmatte mit der Botschaft: "Wer gendert, braucht gar ned erst klingeln". Darf sie natürlich, ist ja harmlos. Aber darin steckt eben das klare Signal "Wir müssen leider draußen bleiben", und zwischen zig Grünen-Witzen geht in Grubers neuem Programm keine einzige Pointe auf Kosten von Rechtsaußen.

    Ernst ist es mit dem Humor. Weil der Mut zu einem wirklich guten, bösen Witz nie gratis ist. Mit Gegenwind muss gerechnet werden. Kostenlos war aber immer schon die Taktik, sich selbst als Ritter oder Retterin der Welt zu geben, als Haudrauf für den guten, nein den allerbesten Zweck. Den man natürlich selbst gepachtet hat.

    Dass es jetzt knallt im Kabarett, muss dabei keinen Dauerschaden zur Folge haben. Das wusste schon Karl Valentin: "Jedes Ding hat drei Seiten. Eine positive, eine negative und eine komische."

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