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Kommentar: Nur noch eine Krise unter vielen? Wir müssen wieder über das Klima reden

Kommentar

Nur noch eine Krise unter vielen? Wir müssen wieder über das Klima reden

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    Im Juli vergangenen Jahres wurde das Ahrtal von Hochwasser heimgesucht. Der Weltklimarat geht davon aus, dass solche Extremwetterereignisse noch zunehmen werden.
    Im Juli vergangenen Jahres wurde das Ahrtal von Hochwasser heimgesucht. Der Weltklimarat geht davon aus, dass solche Extremwetterereignisse noch zunehmen werden. Foto: Boris Roessler, dpa

    Im Sommer 2021 waren sich die meisten Politikerinnen und Politiker ungewöhnlich einig: Das Land braucht mehr Klimaschutz, und das so schnell wie möglich. Kurz zuvor waren im Ahrtal Bäche und Flüsse über die Ufer getreten, hatten Menschen, Autos und ganze Häuser hinweggerissen. Die Klimakrise war auf einmal sichtbar, mitten in Deutschland. Annalena Baerbock, damals noch Kanzlerkandidatin, forderte eine bessere Vorbereitung auf Klimakatastrophen, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gar einen "Klimaruck", der nun durch das Land gehen müsse.

    Zehn Monate später jedoch wirkt es, als sei der drohende Klimawandel nur noch eine Krise unter vielen, weit unten auf der Prioritäten-Liste von Regierung und Bevölkerung. CSU-Chef Söder hält keine Ruck-Reden mehr, sondern spricht davon, Atomkraftwerke vorerst wieder in Betrieb zu nehmen. Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen bemüht sich um "eine langfristige Energiepartnerschaft" mit Katar. Und die FDP, immerhin Teil einer Regierung mit ambitioniertem Klimaprogramm, schlägt vor, mit einem Tankrabatt das Autofahren zu subventionieren. Dass an diesem Freitag wieder Zehntausende auf der ganzen Welt für das Klima auf die Straße gehen, klingt da wie eine Randnotiz.

    Klimaziele dürfen nicht für kurzfristige Erleichterungen geopfert werden

    Natürlich muss sich die Regierung mit aller Kraft um die großen Krisen kümmern, um die Folgen von Russlands Krieg in der Ukraine, wieder um die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Der Staat muss mit einem Entlastungspaket die hohen Energiepreise ausgleichen, Geflüchtete über das Land verteilen und nebenbei über ein Ende dieses Krieges verhandeln. Doch er darf die Krisen dabei nicht gegeneinander ausspielen, wichtige Klimaziele nicht für kurzfristige Erleichterungen opfern.

    Der Klimawandel verschwindet nicht, indem man weniger über ihn redet, im Gegenteil. Er ist und bleibt eine der größten Krisen der Menschheit, auch wenn seine Auswirkungen nicht so plötzlich und unmittelbar zu sehen sind wie die eines Krieges oder die einer Pandemie. Wie sehr die Klimaveränderungen auch unser Leben verändern werden, kann jede und jeder im Bericht des Weltklimarats nachlesen. Das Dokument ist eine Art letzter Weckruf für die Regierungen der Welt. Die Kernbotschaft: Die Erdoberfläche erwärmt sich deutlich schneller als angenommen. Werden die Treibhausgasemissionen nicht stark verringert, könnte es schon 2030 im Schnitt 1,5 Grad wärmer auf der Welt sein als im vorindustriellen Zeitalter. Die Folgen wären Dürren, Überschwemmungen oder Wirbelstürme. Naturgewalten, die Häuser einstürzen und Menschen heimatlos werden lassen.

    Aufschieben ist im Kampf gegen den Klimawandel keine Option

    Gewissermaßen hatte Markus Söder also recht: Es muss in der Tat ein Klimaruck durch das Land gehen, durch die Regierung, aber auch durch die Bevölkerung. Deutschland muss – wie jetzt von der Regierung beschlossen – mehr Energie aus Wind, Sonne und Wasser gewinnen und sich unabhängig von russischem Gas machen. Ein längst überfälliger Schritt, wie der Krieg in der Ukraine schmerzlich zeigt. Alte Häuser müssen noch schneller saniert und etwa alte Öfen ausgetauscht werden. Und auch jeder und jede Einzelne wird sich einschränken müssen: weniger mit dem Auto fahren, seltener fliegen, die Heizung öfter mal runterschalten.

    Krisen sind niemals komfortabel. Wer eine Krise bekämpfen will, muss ein Stück Bequemlichkeit und ja, auch ein Stück Wohlstand opfern. Die Aufgabe des Staates ist es dann, dafür zu sorgen, dass diese Opfer nicht jene besonders hart treffen, die ohnehin wenig Geld haben.

    Dass es möglich ist, auf eine Krise schnell und mit Nachdruck zu reagieren, haben Pandemie und Ukraine-Krieg gezeigt. Nun muss die Regierung in der Klimakrise mit der gleichen Dringlichkeit handeln. Aufschieben ist schon lange keine Option mehr.

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