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Kommentar: Wir alle können Corona-Wellenbrecher sein

Kommentar

Wir alle können Corona-Wellenbrecher sein

Michael Stifter
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    Die intelligentesten Regeln bringen nichts, wenn sich zu wenige daran halten.
    Die intelligentesten Regeln bringen nichts, wenn sich zu wenige daran halten. Foto: Oliver Berg, dpa

    Viele Menschen fühlen sich in der vierten Corona-Welle hilflos. Sie haben den Eindruck, ausgeliefert zu sein. Nicht nur diesem Virus, das in ständig neuen, tückischeren Varianten auftaucht. Sondern auch einer zögerlichen Politik, die zu wenig aus eigenen Fehlern gelernt hat. Einem ausgezehrten Gesundheitssystem. Und einer zunehmend radikalen Minderheit, denen die eigene Weltsicht wichtiger ist als das Leben ihrer Mitmenschen.

    Das ist frustrierend, für manche beängstigend. Doch so hilflos wir uns bisweilen fühlen mögen, wir sind es in Wahrheit nicht. Jeder und jede kann helfen, die Lage zu entschärfen.

    Dass die Zahlen nicht mehr steigen, liegt nicht nur an verschärften Maßnahmen

    Schon in den ersten Wellen war zu beobachten, dass die Vernunft der Bevölkerung das mächtigste Mittel im Kampf gegen die Pandemie ist. Das zeigt sich auch jetzt wieder: Noch immer sind die Infektionszahlen viel zu hoch. Doch der rasante Anstieg der vergangenen Wochen scheint gebremst – und das hat nicht nur mit verschärften Maßnahmen zu tun, sondern auch damit, dass viele Menschen erkannt haben, wie dramatisch die Situation in vielen Krankenhäusern ist und sie deshalb wieder vorsichtiger geworden sind. Nicht aus Zwang, sondern aus Verantwortungsgefühl.

    Als Gesundheitsminister muss Karl Lauterbach vor allem überzeugend kommunizieren

    Das ist ermutigend, denn die intelligentesten Regeln bringen ja nichts, wenn sich zu wenige daran halten. Deshalb müssen sie kontrolliert und Verstöße geahndet werden. Doch viel wirkungsvoller als die Angst vor einer Strafe ist echte Einsicht. Und so wird eine klare und überzeugende Kommunikation zur wichtigsten Disziplin für die neue Regierung und Gesundheitsminister Karl Lauterbach.

    Natürlich wird man einen aggressiven Mob, der mit Fackeln vor dem Wohnhaus einer Ministerin herumpöbelt, wie es gerade in Sachsen passiert ist, kaum noch davon überzeugen, dass die Impfung eine gute Idee ist und wir nicht in einer Corona-Diktatur leben. Aber um diese Leute geht es nicht.

    Es geht um die vielen anderen, die aus mal mehr, mal weniger nachvollziehbaren Gründen zögern, sich impfen zu lassen, aber deshalb noch lange keine verblendeten Querdenker sind. Es geht um jene, die an einzelnen Maßnahmen zweifeln, aber deshalb noch lange nicht infrage stellen, dass Corona existent und eine Bedrohung ist.

    Jede Impfung zählt, aber auch die Ungeimpften können einen Beitrag leisten

    All diese Menschen nicht aufzugeben, sondern für das Endspiel gegen die Pandemie ins Team zu holen wird die entscheidende Aufgabe der nächsten Wochen sein. Jede Impfung zählt. Denn sie schützt nicht nur die Geimpften, sondern auch andere. Sie hilft, das Personal in den Kliniken zu entlasten und Kapazitäten für Patienten zu schaffen, die aus anderen Gründen dringend auf medizinische Versorgung angewiesen sind. Sie reduziert auch das Ansteckungsrisiko für Kleinkinder, die sich noch nicht impfen lassen können.

    Zum Glück denken viele jetzt um und stellen sich geduldig in Warteschlangen, um sich boostern oder doch noch impfen zu lassen. Aber es zählen eben auch die Dinge, die uns zu Beginn der Pandemie vor größerem Leid geschützt haben. Maske tragen, Menschenmassen meiden, Rücksicht nehmen, Kontakte im Berufs- und Privatleben reduzieren, sich regelmäßig testen – Verantwortung für sich und andere übernehmen.

    Wenn die Impfskeptiker es ernst meinen, dass sie keine Verschwörungsideologen oder ignorante Egoisten sind, können auch sie hier mithelfen, die Welle zu brechen. Die große Mehrheit der Frauen und Männer, der Alten und Jungen in diesem Land tut ohnehin seit bald zwei Jahren alles dafür, dass wir aus der Pandemie herauskommen. Daran sollten wir öfter denken, wenn wir uns in diesen Tagen mal allein und hilflos fühlen.

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