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Kommentar: Die Regelungswut erfasst Bereiche, die privat bleiben sollten

Kommentar

Die Regelungswut erfasst Bereiche, die privat bleiben sollten

Rudi Wais
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    Deutschland, deine Bürokratie: Hier regelt der Staat alles, was eine Bürokratie nur regeln kann – und schadet sich selbst, findet unser Autor.
    Deutschland, deine Bürokratie: Hier regelt der Staat alles, was eine Bürokratie nur regeln kann – und schadet sich selbst, findet unser Autor. Foto: Ralf Hirschberger, dpa

    George Bernhard Shaw, der alte Spötter, war kein lupenreiner Demokrat – aber er wusste, woran viele Demokratien kranken. „Freiheit bedeutet Verantwortlichkeit“, schrieb der 1925 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Dramatiker und Satiriker. „Das ist der Grund, weshalb die meisten Menschen sich vor ihr fürchten.“ 

    Die lähmende Passivität, die sich über Deutschland gelegt hat, ist auch eine Folge dieser Haltung. Wie kaum ein anderes westliches Volk vertrauen die Deutschen auf die Autorität ihres Staates, der von der Dachneigung eines Einfamilienhauses über die Ladenschlusszeiten bis zu den Nebenverdiensten eines Rentners so ziemlich alles geregelt hat, was eine Bürokratie nur regeln kann. Dieser Hang zum Dirigismus trifft auf ein weitgehendes Einverständnis der meisten Bürger, die sich in ihrem derart betreuten Gemeinwesen gut eingerichtet haben, nimmt politisch wie ökonomisch mittlerweile aber besorgniserregende Züge an. 

    Deutsche Regelungswut: Die Bürokratie erfasst die privatesten Lebensbereiche

    Bürokratie erstickt nicht nur Eigeninitiative, sie macht eine Volkswirtschaft auch träge und kostet sie Kreativität. Gleichzeitig hat die schon sprichwörtliche deutsche Regelungswut inzwischen die privatesten Bereiche der Deutschen erreicht – die Kühlschränke, zum Beispiel, oder die Heizungskeller. So will Agrarminister Cem Özdemir die Werbung für bestimmte Käse-, Butter- und Joghurtsorten verbieten, weil sie angeblich ein paar Zehntelprozente zu viel Fett enthalten.

    Wirtschaftsminister Robert Habeck wiederum wünscht sich eine lückenlose Dokumentation der Wärmeversorgung: Welches Haus ist wie gedämmt, welche Heizung ist wo installiert und wie viele Kilowattstunden verbraucht sie? Wie jemand wohnt, lebt, sich ernährt oder bewegt, geht aber keinen Politiker etwas an. Hier hat das Private privat zu bleiben und nicht politisch zu werden.

    Bürokratie soll dem Bürger dienen – nicht der Bürger der Bürokratie

    Tatsächlich macht der Staat sich immer breiter im Leben seiner Bürger, getarnt mit dem Mantel der Fürsorglichkeit. Erfordert der Klimaschutz nicht sein ständiges Eingreifen? Ist der Kampf gegen die Dickleibigkeit bei Kindern nicht eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe? Anstatt einen Ordnungsrahmen zu setzen, in dem die Menschen sich so frei wie möglich entfalten können, wird der Staat mit einer wachsenden Zahl an Ge- und Verboten immer übergriffiger.

    Nach Auskunft des Bundestages galten im Februar 2022, dem letzten Stichtag, in Deutschland 1.773 Bundesgesetze mit 50.738 Paragrafen und 2.795 Bundesrechtsverordnungen mit 42.590 Paragrafen, die Rechtsakte der Bundesländer und der EU noch nicht mitgerechnet. Dabei soll die Bürokratie doch den Bürgern dienen und nicht der Bürger der Bürokratie 

    Deutsche Gesetze: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

    Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick in die Schweiz, die gerade ein Klimagesetz beschlossen hat, das in seinen Zielen den deutschen kaum nachsteht, das aber ohne Verbote und direkte staatliche Eingriffe auskommt. Umweltschonendes Verhalten, etwa durch den Einbau einer Wärmepumpe oder die Umstellung eines Betriebes auf erneuerbare Energien, belohnt der Staat hier mit Prämien und Investitionszuschüssen.

    Er vertraut darauf, dass die Schweizer rechnen können und bei steigenden Öl– und Gaspreisen ihr Verhalten schon selbst den neuen Notwendigkeiten anpassen. In Deutschland dagegen liegt jetzt der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, zur Änderung der Heizkostenverordnung und zur Änderung der Kehr-und Überprüfungsordnung“ im Bundestag. Der Name ist dabei Programm: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

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