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Kommentar: Wie unsere Welt durch den Ukraine-Krieg in sich zusammenfällt

Kommentar

Wie unsere Welt durch den Ukraine-Krieg in sich zusammenfällt

Andrea Kümpfbeck
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    Demonstranten protestieren  unter dem Motto «Frieden in Europa, Solidarität mit der Ukraine» gegen den Krieg in der Ukraine.
    Demonstranten protestieren unter dem Motto «Frieden in Europa, Solidarität mit der Ukraine» gegen den Krieg in der Ukraine.

    Wenn man in diesen Tagen mit älteren Menschen spricht, fällt immer wieder der gleiche Satz: „Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass ich in meinem Leben noch einmal einen Krieg in Europa erleben muss.“

    Ja, wir konnten es uns nicht vorstellen. Darum sind wir jetzt, nach Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, so erschrocken aus unserem Dornröschenschlaf aufgewacht. Wir fühlen uns machtlos, weil alles, was im vermeintlich starken Westen gestern noch sicher war, heute Makulatur ist. Frieden war selbstverständlich in den letzten Jahrzehnten. Dabei sind Freiheit, Demokratie, die Herrschaft des Rechts keineswegs so selbstverständlich, wie wir diese enormen Errungenschaften zuletzt genommen haben. Auch in Deutschland haben viele Menschen das Gefühl verloren, was für ein Glück es ist, in einem freien Land zu leben.

    Die Deutsche Russland-Politik fällt in sich zusammen

    Jahrzehntelang glaubte man in Berlin, dass Sicherheit und Frieden in Europa nur durch Abrüstung, Diplomatie und Kooperation mit Moskau zu halten sind. Das war naiv, jetzt können wir live dabei zusehen, wie die deutsche Russland-Politik der vergangenen Jahrzehnte in sich zusammenfällt. „Wenn unsere Welt eine andere ist, dann muss auch unsere Politik eine andere sein“, hat Außenministerin Annalena Baerbock gesagt. Bedeutet: „Thinking the unthinkable“ – das Undenkbare denken.

    Und das tun, was kurz zuvor noch unvorstellbar schien. „Zeitenwende“ hat Kanzler Scholz es in seiner Regierungserklärung genannt. Er und seine Regierung haben das Unvorstellbare getan – und damit vieles über den Haufen geworfen, worauf Deutschland außenpolitisch bisher gesetzt hat.

    Ukraine-Krieg: Sicherheit und Verteidigung stehen wieder im Mittelpunkt

    Quasi über Nacht haben sich nicht nur Realitäten, sondern auch die politischen Koordinaten der Ampelregierung verschoben. Die SPD verabschiedet sich von ihrer Außen- und Sicherheitspolitik der vergangenen 30 Jahre, die Grünen vom Pazifismus und die FDP von ihren Sparplänen, was die Parteien in ihren Grundfesten erschüttert und auch dann noch nachhallen wird, wenn die Waffen schweigen.

    Sicherheit und Verteidigung stehen plötzlich wieder im Mittelpunkt: Die Bundeswehr wird mit 100 Milliarden Euro aufgerüstet. Der Wehretat wird auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Ausgerechnet die Minister der Grünen, jener Partei also, die aus der Friedensbewegung hervorgegangen ist, haben sich im Kabinett schon früh dafür ausgesprochen, die Ukraine mit Waffen zu beliefern – und damit direkte Rüstungsexporte in Kriegsgebiete zu erlauben. Und sogar über die Wiedereinführung einer Wehrpflicht wird spekuliert.

    Trotz des drohenden Bumerang-Effekts für die deutsche Wirtschaft wurden harte Sanktionen gegen Russland beschlossen. Was das für die deutsche Energiepolitik bedeutet, ist noch nicht abzusehen. Aber über eine Laufzeitverlängerung dreier Kernkraftwerke in Deutschland wird bereits diskutiert. Denn: 55 Prozent der Gaslieferungen kommen aus Russland, 45 Prozent der Steinkohle, 34 Prozent des Rohöls.

    Europa zeigt Stärke und Geschlossenheit

    Im Moment sind wir alle Ukraine und es ist auch gut so, dass der Westen fest zusammensteht. Einen Diktator Putin kann man nur durch Geschlossenheit und Stärke beeindrucken. Er mag zwar die Ukraine mit Gewalt gewinnen – und damit ein Stück alte Sowjetunion. Dennoch könnte er das Gegenteil von dem erreichen, was er gewollt hat: statt einer Schwächung Europas eine neue Geschlossenheit und Stärke.

    Die zeigt sich beispielsweise dadurch, dass alle EU-Staaten sofort zugesichert haben, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Auch die Nato erscheint – mit ausdrücklicher Unterstützung eines US-Präsidenten Biden – heute wieder als das, was sie früher war: die Lebensversicherung für demokratische Staaten.

    Alle Informationen zur Eskalation erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

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