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Kommentar: Wie sollen sich die zerstrittenen Schwestern je wieder vertragen?

Kommentar

Wie sollen sich die zerstrittenen Schwestern je wieder vertragen?

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    Kanzlerin Merkel zusammen mit CSU-Chef Horst Seehofer auf dem Parteitag der Christsozialen im vergangenen November.
    Kanzlerin Merkel zusammen mit CSU-Chef Horst Seehofer auf dem Parteitag der Christsozialen im vergangenen November. Foto: Sven Hoppe (dpa)

    Es ist ein wenig wie im richtigen Leben. Zwei Geschwister, die sich fremd geworden sind, die nach außen aber den Anschein wahren, als sei alles noch halbwegs in Ordnung. Hier eine kleine Meinungsverschiedenheit, da eine despektierliche Bemerkung – der Rest ist beredtes Schweigen. Wie zerrüttet die Familie wirklich ist, wissen vielleicht ein paar gute Freunde. Nachbarn, Kollegen und Bekannte ahnen allenfalls etwas.

    Mit Angela Merkel, Horst Seehofer und ihren Parteien verhält es sich im Moment nicht anders. So wie die Schwester in einer zerstrittenen Familie die Geburtstagsfeier des Bruders schwänzt, so bleibt die CDU-Chefin nun dem Parteitag der CSU fern. Nach außen spielen beide Protagonisten diesen Eklat zu einem Zwist herunter, wie er immer mal vorkommen kann – als seien nur noch ein paar Unstimmigkeiten zu klären, bis alles wieder in Ordnung ist. Tatsächlich reicht die wechselseitige Abneigung längst über den Streit um die Flüchtlingspolitik hinaus. Auch bei der Rente haben

    Hier wie dort geht es im Kern um die gleiche Frage: Wo verortet sich die Union in einem immer unübersichtlicher werdenden Parteiengefüge. Rechts der Mitte bei ihrer konservativen Stammkundschaft, wie die CSU das seit jeher tut – oder deutlich weiter links wie die von Angela Merkel sozialdemokratisierte CDU? Nicht von ungefähr argumentieren viele Christdemokraten in der Debatte um eine Ausweitung der Mütterrente wie die Kollegen der SPD: zu teuer, zu rückwärtsgewandt, zu weit hinten auf der Liste der Prioritäten. Müssen nicht erst die Erwerbsminderungsrente oder die betriebliche Altersvorsorge gestärkt werden, ehe man die letzten Ungerechtigkeiten bei der Anerkennung von Erziehungszeiten beseitigt? Mit der Sozialministerin von der

    Jede fünfte Stimme der Union kommt aus Bayern

    Natürlich weiß sie, dass sie Seehofer im Streit um die Obergrenze einen Schritt entgegenkommen muss, wenn der Hauskrach in der Union nicht noch weiter eskalieren soll. Jede fünfte Stimme der Union bei Bundestagswahlen kommt, grob gerechnet, von der CSU. Indem die Kanzlerin es bislang nicht tut, macht sie aus einer Sachfrage endgültig eine Machtfrage. Irgendwann geht es nicht mehr darum, wie viele Menschen Deutschland noch aufnehmen kann, ohne sich zu übernehmen, sondern nur noch darum, wer sich gegen wen durchgesetzt hat. Ein knappes Jahr vor der Wahl bietet die Union so ein verheerendes Bild. Die Weigerung der Kanzlerin, ihre erneute Kandidatur endlich auch formell zu erklären, verstärkt diesen Eindruck zusätzlich. Zögert sie wirklich noch? Oder ist auch dieses Zögern nur Teil eines strategischen Sandkastenspiels?

    CDU und CSU waren immer dann am erfolgreichsten, wenn sie die gemeinsame Sache über ihre unterschiedlichen Befindlichkeiten gestellt haben, und sei es nur für die Dauer eines Wahlkampfes. Doch selbst jetzt, da die beiden Schwesterparteien in einigen Umfragen bereits um mehr als zehn Prozent unter ihrem letzten Wahlergebnis liegen, spielt die Kanzlerin noch auf Zeit. Hat sie noch keinen Plan für einen Kompromiss mit Seehofer? Oder will sie diesen Kompromiss womöglich gar nicht?

    So oder so schadet sie damit der Union insgesamt. Seehofer ist ein unbequemer Gegner, das ja, ein alter Fuchs im Geschäft und auch nicht immer ganz fair in der Wahl seiner Mittel. Der Wahlkämpferin Merkel allerdings sollte vor allem eines zu denken geben: Ihre eigene Partei, die CDU, hat in der Flüchtlingskrise deutlich mehr Sympathien verspielt als die CSU.

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