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Kommentar: Wie Robert Habeck Bundeskanzler werden könnte

Kommentar

Robert Habeck muss sich wandeln, wenn er Kanzler werden will

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    Vom Küchentisch in das Kanzleramt? Mit einem Bewerbungsvideo aus der Küche von Freunden warf Robert Habeck seinen Hut in den Ring. Der Parteitag soll ihn am Sonntag zum Kanzlerkandidaten küren.
    Vom Küchentisch in das Kanzleramt? Mit einem Bewerbungsvideo aus der Küche von Freunden warf Robert Habeck seinen Hut in den Ring. Der Parteitag soll ihn am Sonntag zum Kanzlerkandidaten küren. Foto: Elias Keilhauer/Robert Habeck/Bündnis 90/Die Grünen/dpa

    Habecks Mission ist unmöglich. Eigentlich. Der Vizekanzler der gescheiterten Ampel-Koalition will bei der Neuwahl Bundeskanzler werden. Seine Partei steht in den Umfragen bei knapp über zehn Prozent. Drei Viertel der Wähler sind mit seiner Arbeit als Wirtschaftsminister unzufrieden. Die Umfragen: Ein Desaster.

    Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die deutsche Wirtschaft hängt in einem hartnäckigen Abschwung fest, das zweite Jahr in Folge wird es heuer kein Wachstum geben. Der Wirtschaftsminister ist qua Amt dafür zuständig, dass die Konjunktur rund läuft. Tut sie das nicht, ist das schlecht für das Land und den Minister. Die Grünen werden ihn am Wochenende auf dem Parteitag in Wiesbaden dennoch zu ihrem Kanzlerkandidaten küren. Wer sollte den Job sonst machen?

    Die anderen Grünen können es nicht

    Außenministerin Annalena Baerbock hat von sich aus zurückgezogen. Unter deutlich besseren Ausgangsbedingungen verpatzte sie den Wahlkampf 2021 mit einem eilig zusammenkopierten Buch und nicht gezahlten Steuern. Die beiden scheidenden Parteichefs Omid Nouripour und Ricarda Lang stehen nicht mehr zur Verfügung. Umweltministerin Steffi Lemke kennt kein Mensch und Familienministerin Lisa Paus hat eine schwache Bilanz. Stichwort: Kindergrundsicherung. Die Partei muss dankbar sein, dass Habeck die Bürde des Wahlkampfs auf sich nimmt.

    Für ihn spricht sein Gespür für gute Kommunikation. In fordernden Momenten hat er die Gabe, die richtigen Worte und den richtigen Ton für die Zumutungen dieser an Zumutungen reichen Zeit zu finden. Der 55-Jährige macht es sich nie leicht, hat sich das ehrliche Interesse am Austausch und dem Argument anderer bewahrt. Menschen berühren zu können, unterscheidet ihn vom Pokerface-Bundeskanzler Olaf Scholz („Scholzomat“) und von der Klare-Kante-Rhetorik des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. Chancenlos wäre Habeck, wenn sich der Wahlkampf zum Zweikampf zwischen Scholz und Merz entwickelt und die Wähler sich für einen der beiden entscheiden.

    Der Frontmann der Grünen muss versuchen, sich im Spiel zu halten. Weil die SPD in der Gunst der Wähler nur wenige Zähler vor den Grünen steht, kann das glücken. Damit Habecks Kampagne ein Erfolg werden kann, muss sie es schaffen, von der dürftigen Bilanz als Wirtschaftsminister abzulenken. Dem Ausbau von Windkraft und Solarenergie hat er viel Tempo verliehen, was sein Erfolg ist. Doch Habecks Name ist vor allem mit dem verunglückten Heizungsgesetz verknüpft, das für den Klimaschutz so schädlich war wie alte Braunkohlekraftwerke. Denn die Lektion daraus ist, dass es die Deutschen überhaupt nicht schätzen, wenn ihnen der Staat zu nah auf die Pelle rückt – und sei es auch für den guten Zweck.

    Eine andere Ausrichtung der Wirtschaftspolitik

    Mehr Unterstützung durch die Wähler verspricht die Forderung nach einem großen Investitionsfonds für marode Brücken, Schienen und Schulen. Dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, leuchtet jedem ein. Sonderabschreibungen für alle Unternehmen, die hierzulande investieren, sind ebenfalls ein sinnvoller Vorschlag. Abkehren sollte sich Habeck von seiner Politik, einzelne Unternehmen mit Milliardensummen zu fördern, damit sie ihre Produktionsweise auf klimaverträglich umstellen (grüner Stahl von Thyssen Krupp) oder sich in Deutschland ansiedeln (Intels Chipfabrik). Die reihenweisen Absagen der mit großem Tusch angekündigten Vorzeigeprojekte stellen diesen Ansatz infrage.

    Habeck muss sich also als Wirtschaftsminister neu erfinden, ohne dabei zu stark auf seine Bilanz zu verweisen, die durchwachsen ist. Ihm bleibt, die Chance zu nutzen, die er nicht hat.  Realistischerweise dürfte es am Wahlsonntag in drei Monaten für eine Juniorpartnerschaft unter Merz oder Scholz reichen. Aber wer hätte vor drei Jahren auch nur einen Euro auf Olaf Scholz gesetzt.

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    5 Kommentare
    Dirk Thum

    Ein guter Kommentar. Der Grat ist schmal, auf dem Habeck balancieren muss. Im Bereich der Energie hat er viel erreicht, auch durch entsprechenden Bürokratieabbau. Natürlich auch der schnelle Umstieg der Gasversorgung. Heizungsgesetz hätte besser laufen können, wobei gegen diese unheilige Mischung aus Lügen und Polemik war schwer anzukommen. Beim grünen Stahl werden 5 Firmen gefördert, gesprochen wird aber nur über die eine, die damit gescheitert ist. Solch eine breite Transformation, wie wir sie vor der Brust haben und bei der andere Länder schon deutlich weiter sind (USA & China) passieren auch mal Fehler. Das sollte man auch zulassen dürfen. Die Alternative wäre wieder 16 Jahre nix tun aus Angst vor Fehlern. Damit wäre unser Wohlstand aber endgültig passe. Habeck hat einerseits den Biss und die besseren kommunikativen Fähigkeiten als Scholz und andererseits im Gegensatz zu Merz tatsächlich zählbare operative Führungserfahrung. Eigentlich eine gute Mischung. Schau'mer mal.

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    Klemens Hain

    Ihr Kommentar ist auch meine Überzeugung Herr Thum, sehr gut beschrieben und auch ich sehe es so wie Sie und Herr Thum . Herr Habeck ist auch in meinen Augen keine schlechte Wahl.

    Günter Köhler

    Dem schließe ich mich an und hoffe, dass es die Grünen ohne den Ballast der FDP wieder zu einem Comeback schaffen und prozentual noch die SPD überholen können. Wenn sie es nicht wieder selber versemmeln wäre dies durchaus möglich.

    Wolfgang Boeldt

    1. So stark kann sich Habeck gar nicht "wandeln", daß er auch nur in die Nähe des BK-Amtes käme. 2. Daß der Wirtschafminister zuständig ist, daß die Konjunktur rund läuft ... in Deutschöland werden evtl. konjunkturfördernde Maßnahmen noch immer von der Regierung beschlossen und vom Bundestag/Bundesrat in Gesetzform gegossen. Im übrigen ist der Einfluss einer Nation, die USA und China mal ausgenommen, auf die Konjunktur relativ gering. Diese wird aufgrund der exzessiven Globalisiserung größtenteils auf den internationalen Märkten bestimmt.

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    Dirk Thum

    So ganz verstehe ich Ihren Kommentar nicht. Kann jetzt eine Nation und somit eine Regierung die Konjunktur signifikant beeinflussen oder nicht? Bei ersterem würden konjunkturfördernde Maßnahmen helfen durch den Wirtschaftsminister helfen, beim letzterem nicht - da verfängt auch Ihr Vorwurf auf Habeck nicht. Ja, konjunkturfördernde Maßnahmen werden von der Regierung beschlossen. Habeck hat ja Vorschläge dazu gemacht, die von Ökonomen durchaus begrüßt wurden. Habeck ist aber nicht die Regierung, dieser gehörte u.a. bis vor Kurzem noch ein Finanzminister an, der jede Gelegenheit genutzt hat und alles abgelehnt hat, was nicht von ihm stammt.

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