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Kommentar: Wie Deutschland in Europa zum Außenseiter wird

Kommentar

Wie Deutschland in Europa zum Außenseiter wird

Margit Hufnagel
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    Kanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron hatten schon einmal einen besseren Draht zueinander.
    Kanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron hatten schon einmal einen besseren Draht zueinander. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Zumindest der Ernst der Lage scheint ihnen bewusst zu sein. Das Lachen in die Kameras besonders strahlend. Der Händedruck lang und fest. Das Gespräch mehr als drei Stunden. Als Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Woche seinen Kollegen Emmanuel Macron in Paris besuchte, stand das Treffen unter besonderer Beobachtung. Dass es im deutsch-französischen Verhältnis aktuell nicht rund läuft, ließ sich schon längst nicht mehr verheimlichen. Ausgerechnet in einer der größten Krisen seit Jahrzehnten fremdeln die Partner miteinander. Für Deutschland sind das besonders schlechte Nachrichten. Denn nicht nur die Beziehung zu Paris ist angespannt, insgesamt entwickelt sich Berlin immer mehr zum Außenseiter und Quertreiber innerhalb der Europäischen Union. Deutschlands Einfluss in der EU schwindet zunehmend.

    Scholz und die EU: Machtverhältnisse kehren sich um

    Länder wie Polen oder die baltischen Staaten runzeln seit Jahren die Stirn über die deutsche Russlandpolitik und sehen sich seit dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine bestätigt. Länder im Süden sind weit unabhängiger von russischer Energie, die zwar lange günstig in Richtung Deutschland strömte, die Regierung aber auch erpressbar machte. Es ist unübersehbar: Die Machtverhältnisse kehren sich damit um. Die vermeintlichen "Kleinen“ wollen sich nicht mehr vom großen Nachbarn vorschreiben lassen, wie die Zukunft Europas auszusehen hat. Vom Respekt der Vergangenheit wird Scholz nicht mehr lange zehren können. Im Gegenteil.

    Unglaubwürdig wirkt der Kanzler, wenn er von seinen Kolleginnen und Kollegen Solidarität verlangt, nur um dann doch ein eigenes Süppchen zu kochen. Nun ist nicht jede Kritik, die an Berlin geübt wird, auch gerechtfertigt. Ein Gaspreisdeckel, wie er unter anderem von Spanien gefordert wird, hätte weitaus schwerwiegendere Folgen für Deutschland, das im Moment auf jede Energielieferung dringend angewiesen ist. Auch der Streit um staatliche Entlastungsprogramme wirkt überspitzt beim Blick auf das, was auch andere Länder für ihre Bürgerinnen und Bürger auf die Beine stellen. Doch dass so offen gegen Berlin geschossen wird, dürfte für die Regierung neu sein.

    Deutschland gefiel sich zu gut in der Rolle des Primus

    Durch sein lange so glaubwürdiges Bekenntnis zur EU, dass die Gemeinschaft über allem stehe, war das Ansehen Deutschlands über viele Jahre hinweg gewachsen. Hinzu kam die wirtschaftliche Stärke, die von Stabilität und politischer Vernunft zeugte und im Gegensatz stand zu all den Schuldenländern, die auf Wohl und Wehe der anderen angewiesen waren.

    Womöglich gefiel sich die Bundesrepublik selbst zu gut in dieser Rolle, um überhaupt auf die Idee zu kommen, dass sich die Zeiten ändern können. Scholz' überhebliches Auftreten deutet darauf hin, dass er sich seiner selbst zu sicher ist. Bei den Partnern in Europa kommt das nicht gut an. Dass sie sich von einem Regierungschef, der sich eine besonders blutige Nase geholt hat, etwas Demut erwarten, ist mehr als verständlich.

    Nun muss man kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass diese Entwicklung Deutschland nicht erst langfristig massiv schaden könnte. Wirtschaftlich ist es als der größte Mitgliedstaat auf die Allianz mit den anderen angewiesen, die aktuelle Krise ist der beste Beweis dafür. Doch auch für die EU selbst war es nie gut, wenn sie ohne einen starken Antreiber war. Und Aufgaben gibt es fürwahr genug. In Italien regiert eine Post-Faschistin, der Brexit ist längst nicht vollendet, und Putin wird auch künftig versuchen, einen Keil zwischen seine Gegner zu treiben.

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