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Kommentar: Werbeverbot für ungesunde Kinder-Lebensmittel: Özdemirs Süßkram-Gratwanderung

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Werbeverbot für ungesunde Kinder-Lebensmittel: Özdemirs Süßkram-Gratwanderung

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    Gesetzespläne von Agrarminister Cem Özdemir sehen vor, dass Produkte mit zu viel Zucker, Fett und Salz zu bestimmten Tageszeiten nicht mehr im Fernsehen beworben werden dürfen.
    Gesetzespläne von Agrarminister Cem Özdemir sehen vor, dass Produkte mit zu viel Zucker, Fett und Salz zu bestimmten Tageszeiten nicht mehr im Fernsehen beworben werden dürfen. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa (Archivbild)

    Der Aufschrei der Lebensmittelindustrie war erwartbar: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir will Werbung für ungesündere Kinder-Lebensmittel verbieten, das passt den Konzernen natürlich nicht. Doch der Grünen-Politiker sollte sich davon nicht beirren lassen. Manches, was da an Süßkram, Limos oder Snacks etwa zwischen Kindersendungen beworben wird, hat schon fast Suchtmittel-Charakter.

    Viel zu viel Zucker, Salz und Fett in genau der Kombination, die zum maßlosen Weiteressen verleitet. Die möglichen schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit sind hinreichend belegt. Adipositas, starkes Übergewicht, betrifft immer mehr Menschen, beginnt oft in der Kindheit und zieht im weiteren Leben viele Folgeleiden nach sich, von Diabetes über Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zu Gelenkbeschwerden. 

    Entgegen ihrer eigenen Versprechen haben die Hersteller ihre Rezepturen kaum geändert. Ein Werbeverbot ist also angemessen, denn es dient der Kinder-Gesundheit. 

    In der Debatte um eine gesündere Ernährung fordern Mediziner und Verbraucherschützer umfassende Beschränkungen bei der Werbung gezielt an Kinder.
    In der Debatte um eine gesündere Ernährung fordern Mediziner und Verbraucherschützer umfassende Beschränkungen bei der Werbung gezielt an Kinder. Foto: Henning Kaiser, dpa

    Ungesunde Lebensmittel für Kinder: Der Quengel-Druck im Supermarkt

    Die Klage über ausufernde Verbote mag in vielen Fällen berechtigt sein, hier ist sie es nicht. Allen Eltern steht es ja weiter frei, dem Nachwuchs zu servieren, was immer sie wollen. Doch durch die zielgenaue Werbung im Kinderprogramm ist es oft der Nachwuchs selbst, der entscheidet, was in den Einkaufwagen kommt. 

    Ob der Quengel-Druck im Supermarkt durch neue Regeln nachlässt, bleibt abzuwarten. Generell können Verbraucherinnen und Verbraucher sehr dickfellig sein. Trotz eingeschränkter Reklame für Tabak und Alkohol kommen viele von gesundheitsschädlichen Gewohnheiten nicht los. Und die Vielzahl unterschiedlicher Lebensmittelsiegel, die heute auf jeder Packung prangt, hat eher dazu geführt, dass gar keiner mehr darauf achtet. Was die bunten Skalen und Labels suggerieren, ist mitunter bizarr. Butter und gutes Pflanzenöl bekommen schlechte Bewertungen weil sie – Überraschung! – viel Fett enthalten? Für dumm verkaufen, das lassen sich die Kunden auch nicht gern. 

    Politik sollte sich beim Blick auf den Esstisch zurückhalten

    Özdemir sollte aber aufpassen, dass seine Ernährungsempfehlungen nicht dazu beitragen, von Übergewicht betroffene Menschen zu stigmatisieren und ein zweifelhaftes Schlankheitsideal zu propagieren. Fett- und Zuckerbomben sind nur eine der fragwürdigen Seiten der Lebensmittelindustrie. Die andere, ähnlich lukrative, sind Diät- und Leicht-Produkte, die ebenso problematisch sein können.

    Genau im Auge zu behalten, welche Lebensmittel mit großen Werbebudgets speziell ans Kind gebracht werden sollen, das ist ein sinnvoller, wenn auch kleiner Beitrag zu einer gesünderen Ernährung. Insgesamt sollte sich die Politik aber aus der Frage, was bei den Leuten auf den Tisch kommt, weitestgehend heraushalten. Verbotsdebatten gehen leicht nach hinten los.

    Das müssten die Grünen eigentlich wissen, seit ihnen ihre Idee, einen vegetarischen Kantinentag einzuführen, um die Ohren flog. Trotzdem machten sie in Sachen Heizung denselben Fehler. Özdemir tut gut daran, bei Verboten Maß und Ziel zu halten. Sonst wird das nichts mit dem Ministerpräsidentenposten in Baden-Württemberg. Spätzle sind schließlich kleine Kohlenhydratbömbchen. Und beim schwäbischen Nationalgericht hört der Spaß endgültig auf. 

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