Die Zeiten, in denen europäische Beobachter vor allem staunend auf das chinesische Wirtschaftswunder blickten, sind vorbei. Wenn Robert Habeck in dieser Woche in Peking aus dem Flugzeug steigt, begleiten ihn die Sorgen vieler Unternehmen, Opfer des sagenhaften Aufstiegs der neuen Wirtschaftsmacht zu werden. Gerade die deutsche Wirtschaft hat über viele Jahre extrem profitiert vom scheinbar unersättlichen Hunger der Chinesen etwa nach deutschen Maschinen, Autos oder Chemieerzeugnissen. Dass die Bedingungen, zu denen die guten Geschäfte gemacht wurden, langfristig nicht immer so vorteilhaft waren, hat man mehr oder weniger leise grummelnd hingenommen. Was zählte, war dabei zu sein auf der Party im größten Markt der Welt.
Für die deutsche Autoindustrie ist China inzwischen Fluch und Segen zugleich. Die Hersteller verkaufen in Fernost einen bedeutenden Teil ihrer Produktion. Viele Hersteller haben dort auch große Werke, einige Modelle werden in China für alle Märkte weltweit gebaut. Gerade bei der E-Mobilität ist das Land längst zum Innovationstreiber geworden. Hier werden die Trends gemacht, die dann auch auf dem europäischen Markt eingeführt werden. Das fordert Volkswagen, Mercedes, BMW und Co gewaltig heraus. Autoexperten berichten, dass auch Forschungsabteilungen in China im Mehrschichtbetrieb arbeiten. Der Preisdruck durch die Wettbewerber gehört zu den größten Problemen der deutschen Unternehmen. Doch zur Sorge – bei manchem Manager inzwischen wohl auch Angst – vor der Leistungsfähigkeit der neuen Konkurrenz gesellt sich auch Wut.
Die EU-Kommission hat zu Recht ein Stoppschild aufgestellt
Chinas Aufschwung ist strategisch geplant. Das Land strebt eine globale Führungsrolle bei grünen Zukunftstechnologien an. Bei der Solarenergie und in der Batterietechnik ist das bereits geglückt. Bei Windturbinen oder Schienenfahrzeugen wird weitgehend unbemerkt von einer breiten Öffentlichkeit ebenfalls hart um die Technologieführerschaft gerungen. Bei den E-Autos dürften die kommenden Monate zeigen, in welche Richtung die Reise geht. Die EU-Kommission hat mit der Ankündigung, die Einfuhrzölle gegebenenfalls sprunghaft zu erhöhen, nun zu Recht ein großes Stoppschild aufgestellt.
Denn Chinas Erfolge sind mit enormen Subventionen erkauft. Konservative Schätzungen, genaue Zahlen kennt vielleicht nicht einmal das Regime in Peking, gehen in Richtung zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. So gut wie jedes börsennotierte Unternehmen erhielt zuletzt staatliche Zahlungen. Einheimische Unternehmen werden zudem noch immer bevorzugt durch besseren Zugang zu Rohstoffen, erzwungene Technologietransfers und privilegierte Behandlung durch die Behörden.
Die Wirtschaft ist für Peking Mittel zum Zweck
Europa und China sind wirtschaftlich viel stärker auf Exporte angewiesen als die USA. Bei Einschränkungen im Handel können beide Seiten nur verlieren. Grundbedingung für offene Märkte sind jedoch einheitliche Regeln. Spielt China sein eigenes Spiel, droht der Verlust europäischer Technologieführerschaft. Das Verschwinden ganzer Industriezweige, wie es das Beispiel der Solarenergie zeigt, steigert die Abhängigkeit von einer Diktatur, die nichts hält von europäischen Werten. Darum stehen die Beziehungen zwischen der EU und China nun an einem Wendepunkt. Peking muss sich entscheiden, ob es die viel beschworene Zusammenarbeit höher gewichtet als das Streben nach globaler Dominanz. Diese Botschaft muss Habeck überbringen.