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Kommentar: Attacken gegen Mützenich erinnern an üble Debattenkultur während der Pandemie

Kommentar

Attacken gegen Mützenich erinnern an üble Debattenkultur während der Pandemie

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    Am Donnerstag sprach sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich dafür aus, im Ukraine-Krieg mehr Anstrengungen auf die Diplomatie zu verwenden und darüber nachzudenken, die Kämpfe durch einen Waffenstillstand einzufrieren.
    Am Donnerstag sprach sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich dafür aus, im Ukraine-Krieg mehr Anstrengungen auf die Diplomatie zu verwenden und darüber nachzudenken, die Kämpfe durch einen Waffenstillstand einzufrieren. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Rolf Mützenich hat etwas ausgesprochen, was nicht ausgesprochen werden darf. Nämlich, dass der Krieg in der Ukraine mit hoher Wahrscheinlichkeit unter hohen Gebietsverlusten für das angegriffene Land zu einem Ende kommt. 

    Dieses Ende ist nicht gleichbedeutend mit Frieden und Aussöhnung zwischen Angreifern und Überfallenen, sondern es heißt zunächst, dass die Waffen schweigen. Es hieße auch, dass Wladimir Putin unter enormen Verlusten gewonnen haben würde, aber was zählt schon ein Menschenleben in Russland

    Tausende Soldaten vor dem Tod bewahren

    Weil Rolf Mützenich diesen Ausgang des Krieges vorausahnt, stellt er die Frage, ob es nötig ist, noch Tausende junge Männer auf beiden Seiten der Front in den Fleischwolf zu schicken, wenn es am Ergebnis wenig ändert. Der SPD-Fraktionsvorsitzende richtet einen Scheinwerfer auf den blinden Fleck, der hinter dem Nebel der politischen Rhetorik seines Chefs – Bundeskanzler Olaf Scholz – verschwindet. Dass Mützenich dafür öffentlich gekreuzigt wird, erinnert fatal an die üble Debattenkultur während der Corona-Pandemie.

    Der Kanzler spricht davon, dass die Ukraine diesen Kampf nicht verlieren dürfe. Seit dem ersten Tag des russischen Überfalls prägen Vorsicht, Abwägen und Zurückhalten die Unterstützung der Ukraine bei der Lieferung mit Waffen. Scholz fürchtet, dass der Westen hineingezogen werden könnte und ein dritter Weltkrieg ausgelöst wird, in dem Russland womöglich seine Atombomben einsetzt.

    Rolf Mützenich erntet viel Kritik für seinen Vorschlag

    In der Rhetorik etwas deutlicher, aber letztlich von der derselben Furcht geprägt wie Scholz, handelt US-Präsident Joe Biden. Die USA senden Kiew viele Waffen, aber in ihren Beständen fände sich für ukrainische Gegenschläge noch sehr viel mehr des dafür erforderlichen Kriegsgeräts. 

    Weder der deutsche Kanzler noch der US-Präsident haben jemals ausbuchstabiert, wie die Nachkriegsordnung aussehen könnte, wenn die Ukraine den Krieg nicht gewinnt, was derzeit wahrscheinlich ist. Ohne Antwort auch die drängende Frage, wie dem imperialistischen Hunger des Wladimir Putin nach den Ländern der zerfallenen Sowjetunion Einhalt geboten werden könnte.

    Aufnahme der Ukraine in die Nato zurzeit ausgeschlossen

    Genau diese Leerstelle hat auch Rolf Mützenich nicht ausgefüllt, obwohl er als Außenpolitiker die Lehren aus dem Münchner Abkommen mit Hitler kennt. Die ausgesprochenen Sicherheitsgarantien für die Ukraine wären ohne den Beitritt des verbleibenden Territoriums zur Nato genauso wertlos, wie es vor dem Zweiten Weltkrieg die Garantien für die Rest-Tschechoslowakei waren. Allerdings ist eine Aufnahme der Ukraine in die

    Dass der Aufruf zu Diplomatie und zu einem Nachsinnen über einen Waffenstillstand aus den Reihen der SPD kommt, ist wenig überraschend. Gehört doch die Aussöhnung mit Russland nach dem Weltkrieg und die Ostpolitik Willy Brandts zum sakralen Parteierbe. Vergessen haben die Genossen, dass Brandt aus der Position der Stärke auf die Sowjetunion zuging. Seinerzeit gab Deutschland in der Relation zur Wirtschaftsleistung doppelt so viel Geld für die Bundeswehr aus wie heute.

    Setzte Zeichen für die Aussöhnung mit den Osteuropäern: Am 7. Dezember 1970 fiel der damalige Bundeskanzler Willy Brandt am Denkmal für die Helden des jüdischen Ghettos in Warschau auf die Knie. Das Gegenstück zur Aussöhnung war die eigene militärische Stärke Deutschlands.
    Setzte Zeichen für die Aussöhnung mit den Osteuropäern: Am 7. Dezember 1970 fiel der damalige Bundeskanzler Willy Brandt am Denkmal für die Helden des jüdischen Ghettos in Warschau auf die Knie. Das Gegenstück zur Aussöhnung war die eigene militärische Stärke Deutschlands. Foto: dpa/Archiv

    Bundeswehr trotz Sondervermögen in schlechtem Zustand

    Das aufgelegte Sondervermögen reicht zur Ertüchtigung der maladen Streitkräfte bei Weitem nicht aus. Dass Deutschland und Europa sich rüsten müssen, und zwar massiv, wäre die Kehrseite der Medaille eines Einfrierens des Ukraine-Konflikts. Diese bleibt aber Rolf Mützenich schuldig. Er entspricht damit der verbreiteten Mentalität in Deutschland. Über die acht Jahrzehnte seit Kriegsende hat sich die deutsche Gesellschaft von einer militärisch-preußischen zu einer postheroisch-hedonistischen gewandelt. Der Mentalitätswechsel zu mehr Wehrhaftigkeit und Härte muss Teil der von Scholz ausgerufenen Zeitenwende sein. 

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