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Analyse: Was chinesische Waffenlieferungen an Russland bedeuten würden

Analyse

Was chinesische Waffenlieferungen an Russland bedeuten würden

Simon Kaminski
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    US-Außenminister Antony Blinken wirft Peking vor, ernsthaft über Waffenlieferungen an Russland nachzudenken.
    US-Außenminister Antony Blinken wirft Peking vor, ernsthaft über Waffenlieferungen an Russland nachzudenken. Foto: Burhan Ozbilici, AP/dpa

    Das Dementi aus Peking kam schnell und heftig. Ein Zeichen dafür, dass sich China sehr wohl bewusst ist, welche Sprengkraft Spekulationen entwickeln könnten, das Land plane Russland bei seinem kriminellen Angriffskrieg auf die Ukraine mit Munition und Waffen zu unterstützen. "Falschinformationen" warf das Außenministerium Washington vor. 

    Die Aufregung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich Peking auf der Münchener Sicherheitskonferenz gerade erst mit der Ankündigung eines "Friedensplans" zur Beendigung des Krieges in Szene gesetzt hatte. Waffenlieferungen wären der größtmögliche Kontrast zu einer Vermittlungsperspektive. 

    US-Außenminister Antony Blinken wirft Peking vor, ernsthaft über Waffenlieferungen an Russland nachzudenken.
    US-Außenminister Antony Blinken wirft Peking vor, ernsthaft über Waffenlieferungen an Russland nachzudenken. Foto: Burhan Ozbilici, AP/dpa

    Woher US-Außenminister Antony Blinken seine Hinweise hat, dass China mit dem Gedanken spielt, Moskau mit Rüstungsgütern zu beliefern, blieb zunächst im Nebel. Sollte daran tatsächlich etwas dran sein, würde dies eine neue geopolitische Dimension des Krieges bedeuten. Für die Ukraine wäre die militärische Unterstützung Pekings des russischen Überfalls eine weitere Katastrophe in der Katastrophe.

    Sicher ist, dass Blinken nicht gescherzt hat, als er in München sagte, dass chinesische Waffenlieferungen "ernste Probleme" verursachen würden – es klang eher nach der Ziehung neuer „roter Linien“. Sanktionen des Westens gegen Peking wären unausweichlich – mit verheerenden politischen und wirtschaftlichen Folgen, insbesondere für Europa und Deutschland. Dass auch der ökonomisch angeschlagene Exportweltmeister China unter einem verschärften Wirtschaftskrieg stark leiden würde, nährt die Hoffnung, dass Peking auf diese Eskalation verzichten wird.

    Westliche Geheimdienste beobachten, ob und wie China den Angriffskrieg unterstützt

    Nicht nur Politiker und Sicherheitsexperten analysieren seit Monaten ganz genau, wie sich Peking zu seinen erklärten Freunden in Moskau nach dem Beginn des Krieges vor knapp einem Jahr positioniert. Ohne Zweifel beobachten US-amerikanische und britische Geheimdienste intensiv, ob China den Angriffskrieg unterstützt. Die denkbare Bandbreite ist groß. Sie reicht von wirtschaftlicher und politischer Hilfe über die Weitergabe nachrichtendienstlicher Informationen bis hin zu verkappten oder offenen Waffenlieferungen. Eines hat Washington mit seinen Vorwürfen an Peking bereits erreicht. Es geht aktuell nicht um die angekündigte chinesische Friedensinitiative, sondern – zumindest vorübergehend – um mögliche Verwicklungen Chinas in den Ukraine-Krieg. Das dürfte dem chinesischen Machthaber Xi Jinping nicht gefallen.

    Details über den chinesischen "Friedensplan" sind noch nicht bekannt

    Bisher ist unklar, welche Eckpunkte der von dem führenden chinesischen Außenpolitiker Wang Yi in München annoncierte Friedensplan aufweisen soll. Dass China am ehesten noch zugetraut wird, auf den Kreml mäßigend einzuwirken, ist plausibel. Doch das ändert kaum etwas daran, dass der russische Präsident derzeit nicht von seinem Kriegsziel, die Ukraine als Staat zu zerstören, abrückt. Dieser Schritt wäre aber eine Minimalbedingung dafür, sich sinnvolle Gespräche zwischen Kiew und Moskau überhaupt im Ansatz vorstellen zu können. 

    Zumal die ukrainische Regierung verständlicherweise keinen Anlass sieht, auf die Regionen Donezk, Luhansk, Cherson oder Saporischschja zu verzichten. Kiew hat nicht nur den Westen, sondern auch das Völkerrecht auf seiner Seite. Bereits bekannte Massaker und Kriegsverbrechen der russischen Soldateska lassen erneute Gräueltaten im Falle weiterer Eroberungen der Angreifer erwarten. 

    Die beiden Staatschefs Xi Jinping und Wladimir Putin haben immer wieder die Freundschaft zwischen ihren beiden Nationen beschworen. Wie weit Pekings Solidarität mit Moskaus Angriffskrieg geht, ist umstritten.
    Die beiden Staatschefs Xi Jinping und Wladimir Putin haben immer wieder die Freundschaft zwischen ihren beiden Nationen beschworen. Wie weit Pekings Solidarität mit Moskaus Angriffskrieg geht, ist umstritten. Foto: Alexander Zemlianichenko, dpa (Archivbild)

    Wie der Blick Pekings auf Russland derzeit tatsächlich ausfällt, ist nur schwer zu beantworten. Sehr wahrscheinlich ist eine nüchterne, ambivalente Sichtweise. Die schieren Dimensionen der militärischen Rückschläge der russischen Streitkräfte dürfte auch Experten in China erstaunt haben. Die wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen durch Krieg und Sanktionen haben schon jetzt zu einer Schwächung Russlands geführt. Das geht auf der einen Seite mit einem strategischen Machtzuwachs Chinas einher. Gleichzeitig registriert Peking jedoch, dass die Nato für viele überraschend geschlossen agiert. Ein Faktor, der die Planspiele Xi Jinpings für eine militärische Einverleibung Taiwans beeinflussen könnte. Eine Invasion der demokratisch regierten Insel ist nicht nur militärisch riskant, sie dürfte auch politisch und ökonomisch teurer werden, als vorausberechnet. 

    Gleiches könnte für den Fall gelten, dass China sich entschließt, deutlich mehr zu tun, um Russland vor einem Desaster in der Ukraine zu bewahren. Je entschlossener und effektiver der Westen Kiew in der aktuellen, vielleicht entscheidenden Phase des Krieges unterstützt, desto größer sind die Chancen, dass Xi Jinping vor diesem Schritt zurückschreckt.

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