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Kommentar: Warum wir Journalisten Freiheit brauchen – und Mut

Kommentar

Warum wir Journalisten Freiheit brauchen – und Mut

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    Die Mitglieder von Reporter ohne Grenzen setzen sich für Pressefreiheit ein.
    Die Mitglieder von Reporter ohne Grenzen setzen sich für Pressefreiheit ein. Foto: Carsten Koall, dpa (Symbolbild)

    Nehmen wir Journalisten uns manchmal viel zu ernst? Wir verleihen einander Preise, wir richten ganze Kongresse zur „Zukunft des Journalismus“ aus – und einmal im Jahr begehen wir gar einen „Tag der Pressefreiheit“. Von einem Tag der Gastronomiefreiheit oder der Handwerkerfreiheit ist nichts überliefert.

    Und es stimmt: Wir Journalisten sind manchmal furchtbar eitel, nehmen uns meist furchtbar wichtig und sind oft furchtbar nervig in unseren Klagen, wie anstrengend unser Beruf doch sei, wie undankbar, wie aufreibend. Ich darf Ihnen ein Geheimnis anvertrauen: Die (aller)meisten von uns jammern nur so gerne über unseren Beruf, weil wir diesen in Wahrheit so sehr lieben. Und weil wir wissen, dass „die Presse“ – und die Pressefreiheit, die gar im Grundgesetz garantiert ist – etwas so viel Größeres verkörpert als jeder von uns.

    Auch in Deutschland werden Journalisten eingeschüchtert und beleidigt

    Die Frage, ob die Presse ihre Arbeit frei verrichten kann, ist nichts Geringeres als die Frage, ob unsere Gesellschaft demokratisch funktioniert. Es geht darum, was wichtig ist und wer sich nur wichtigmacht – und ob jeder zwar das Recht auf seine Meinung hat, aber nicht auf seine eigenen Fakten. Es geht auch darum, all das sagen, schreiben und senden zu können, was manche nicht hören wollen – und so sicherzustellen, dass jemand den Mächtigen auf die Finger schaut.

    Die Pressefreiheit ist gerade in keinem sonderlich guten Zustand, in Deutschland nur „zufriedenstellend“ laut aktueller Rangliste. Ein Grund ist, dass sich auch bei uns immer mehr Kolleginnen und Kollegen fürchten müssen – etwa weil sie auf Demonstrationen sogenannter „Querdenker“ angespuckt, bedroht und eingeschüchtert werden.

    Der namibische Künstler Rudolf Seibeb erinnert in seinem Bild an die Erklärung von Windhoek, die als Geburtsstunde des Tages der Pressefreiheit gilt.
    Der namibische Künstler Rudolf Seibeb erinnert in seinem Bild an die Erklärung von Windhoek, die als Geburtsstunde des Tages der Pressefreiheit gilt. Foto: Rudolf Seibeb, BDZV

    Journalismus kostet etwas und muss etwas kosten

    Freiheit braucht zudem Unabhängigkeit, und die gerät leider in vielen Redaktionen ins Rutschen. Lange konnten wir Journalisten uns in Deutschland darauf konzentrieren, journalistisch das Beste zu geben – weil es Verlegerinnen und Verleger gab, die ihr Bestes gaben, damit wir uns darauf konzentrieren konnten. Das ist in guten Häusern zum Glück immer noch so, aber längst nicht mehr im ganzen Land. Auch weil die Einsicht, dass Journalismus etwas kostet und kosten muss, nicht mehr bei allen Lesern da ist.

    Natürlich ist es deswegen auch unsere Aufgabe, viel mehr an die Nutzer zu denken, an die Analyse von Daten, an die Vermarktung unserer Produkte. Aber wir bleiben Produktmanager der etwas anderen Art, unsere wichtigsten Kennzahlen heißen Vertrauen und Unabhängigkeit. Wenn mutige Reporter unserer Redaktion aufdecken, dass Parlamentarier in der Pandemie offenbar horrende Provisionen einstrichen, um Masken zu vermitteln, ist es schön, wenn wir dadurch Digital-Abonnenten gewinnen. Aber wir müssten so einen Skandal auch recherchieren, wenn es keinen einzigen neuen Abonnenten dafür gäbe.

    Journalisten müssen laut für die Demokratie werben

    Manchmal engen wir uns selbst ein, Menschen halt, mit all ihren Schwächen. Wir überlegen in der Branche immer länger, was man noch schreiben darf, ohne anzuecken. Klar, der „Shitstorm“ lauert hinter jeder Ecke. Wer zu Corona etwa schreibt, dass Virologen nicht immer recht hätten, gilt als „Verharmloser“. Und wer schreibt, dass man jetzt nicht zu rasch lockern dürfe, ist ein „Merkel-Lockdown-Jünger“. Viele Politiker und die (sehr vielen) PR-Profis in Unternehmen, Verbänden, Ministerien maulen sowieso gerne. Das hemmt manchmal den Stift.

    Deswegen ist unsere Presse nicht gleichgeschaltet, wie Schauspieler gerade behaupteten. So etwas sagen nur Leute, die keine Zeitungen lesen. Aber vielleicht sind wir manchmal zu schüchtern, zu leise, statt laut für Demokratie zu werben. Wir müssen uns an unserem Freiheitstag auch klarmachen: Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.

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