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Kommentar: Warum reist der Papst nicht nach Kiew?

Kommentar

Warum reist der Papst nicht nach Kiew?

Daniel Wirsching
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    Papst Franziskus vor Journalisten auf einer Reise nach Malta. Wäre Kiew auch ein gutes Ziel?
    Papst Franziskus vor Journalisten auf einer Reise nach Malta. Wäre Kiew auch ein gutes Ziel? Foto: Johannes Neudecker, dpa

    Die Zeit um Ostern herum ist eine symbolträchtige Zeit. Es sind vor allem Tiere, die zu Bedeutungsträgern geworden sind. Vom Esel, auf dem Jesus in Jerusalem einzieht, bis hin zum Lamm Gottes, das für ihn und seine Auferstehung steht. Kinder freuen sich, wenn ihnen der Osterhase etwas bringt, in Italien backt man die „Ostertaube“ – Colomba pasquale.

    Die Ostertage 2022 jedoch werden von den Falken, den russischen Kriegstreibern, dominiert. Die Friedenstaube – jene, die in der Bibel mit Ölzweig im Schnabel zur Arche Noah zurückkehrt und Hoffnung auf ein Ende der Sintflut sowie auf eine Aussöhnung mit dem über die Menschen erzürnten Gott macht – scheint fern. Was wäre es nur für ein mächtiges Zeichen, wenn wenigstens zu Ostern die Waffen in der Ukraine schwiegen! Was wäre es nur für ein mächtiges Zeichen, würde Papst Franziskus – als Stellvertreter Christi auf Erden und „oberster Brückenbauer“ – nach Kiew reisen!

    Die Macht der Bilder nicht unterschätzen

    Symbole bloß? Mitnichten: Man sollte die Wirkmacht von Symbolen nicht unter- und nicht geringschätzen. Das zeigt schon ein kurzer Blick in die Geschichtsbücher. Symbole, Gesten, Worte und Geschichten können etwas auslösen. Auch und gerade in Zeiten, die hoffnungslos erscheinen. Insbesondere die Geschichte vom Leiden und der Auferstehung des Gottessohnes, die sich Millionen Christinnen und Christen in aller Welt in diesen Tagen vergegenwärtigen, ist nicht folgenlos geblieben. Diese eigentlich „unglaubliche“ Geschichte gibt Menschen heute noch Zuversicht. Nicht zuletzt den Menschen in der Ukraine.

    Während sie sich an die „Frohe Botschaft“ klammern, daran, dass selbst der Tod für Gläubige nicht das Ende bedeutet, pervertiert ausgerechnet ein Mann der Kirche diesen Kern des christlichen Glaubens. Der Moskauer Patriarch Kyrill I., Vorsteher der russisch-orthodoxen Kirche, predigt nicht Frieden, sondern rechtfertigt Putins Krieg als einen „metaphysischen Kampf“ des Guten gegen das Böse, das aus dem Westen kommt. Dabei steht Kyrill I. in der langen Reihe derer, die Gott und Glauben instrumentalisieren. Es wäre dringend an der Zeit, dass Papst Franziskus dies klar ausspricht – und klar sagt: Putin ist der Aggressor, niemand sonst. Ob er sich so seine mögliche Rolle als Vermittler verbaut? Im Moment ist er in ihr offenkundig ohnehin nicht gefragt. Der russische Präsident und sein kirchlicher Adjutant müssten das ja wollen. Was sie tatsächlich wollen, ist ein Sieg über die Ukraine.

    Regionalbischof Axel Piper bezeichnet Putin als „Tyrannen“

    Deutlicher als der Papst sind bereits zahlreiche Kirchenvertreter geworden. Der evangelische Augsburger Regionalbischof Axel Piper etwa bezeichnete Putin als „Tyrannen“, sein katholischer Mitbruder Bertram Meier nannte Putin „Diktator“. Bereits am 6. März sagte Meier, er wünschte sich, dass der Erzengel Michael Putin die Ansage mache: „Wladimir, Du bist nicht Gott! Du führst Dich nur auf wie Gott.“ Er wünschte sich, der Erzengel weise Putin in die Schranken.

    Fromme Worte bloß? Mitnichten: In Russland könnte man dafür im Gefängnis landen. Die Dinge aber beim Namen zu nennen, ist Voraussetzung für Veränderung.

    Es braucht mehr Tauben und weniger Falken.

    Auf die „Heiligen Drei Tage“ von Gründonnerstag bis Ostern folgt für Christinnen und Christen das Pfingstfest. Mit ihm endet dieses Jahr Anfang Juni die Osterzeit. Pfingsten, erklärt die evangelische Kirche, sei das Fest des Heiligen Geistes, der „Menschen einander als Brüder und Schwestern in Christus erkennen“ lasse. Auch diese Erkenntnis ist Putin zu wünschen, und zwar nicht erst im Juni.

    Übrigens wird der Heilige Geist als Taube dargestellt. In dem Sinne: Es braucht jetzt mehr Tauben und weniger Falken.

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