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Kommentar: Warum ein sozialer Pflichtdienst für alle eine gute Idee ist

Kommentar

Warum ein sozialer Pflichtdienst für alle eine gute Idee ist

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    Ein neuer Pflichtdienst könnte das Land sicherer machen, das Trennende vermindern, die Gemeinschaft stärken, meint unser Autor.
    Ein neuer Pflichtdienst könnte das Land sicherer machen, das Trennende vermindern, die Gemeinschaft stärken, meint unser Autor. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Jeder und jede soll einmal im Leben etwas für die Gesellschaft tun müssen. Sei es die Verteidigung des Landes in der Armee, die Pflege der Alten im Seniorenheim, der Schutz der Natur im Umweltverband oder die Hausaufgabenhilfe in der Schule. Das ist der Vorschlag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, den seine SPD nach der Sommerpause voranbringen will. 

    Steinmeier erhofft sich davon, den bröckelnden Zusammenhalt zu stärken und die auseinandergehenden Lebenswirklichkeiten zusammenzuhalten. Der Bundespräsident denkt über einen Aufguss des alten Wehr- und Zivildienstes hinaus. Dass Frauen heute ebenfalls in der Pflicht stünden, ist wegen des Gleichheitsgrundsatzes im Grundgesetz mittlerweile selbstverständlich. 

    Etwas Neues machen, wenn das Berufsleben vorbei ist

    Der Charme seiner Idee besteht darin, dass der Dienst für die Allgemeinheit nicht mehr im Zeitraum zwischen Schulabschluss und Mitte 20 geleistet werden müsste, sondern in allen Lebensphasen möglich wäre. Wer jung ist und zunächst lieber Ausbildung, Studium oder Arbeit vorzieht, soll das machen können und wäre dann eben später fällig – womöglich sogar erst als Rentnerin oder Rentner. Viele Ruheständler suchen nach dem Berufsleben eine Aufgabe, die sie erfüllt. Ihnen könnte der Dienst helfen, das schwarze Loch zu überspringen, das sich nach Jahrzehnten der Arbeit auftut. Natürlich wird die Bundeswehr keine Rekruten „ü 65“ einziehen, aber warum sollen die Senioren nicht im Kindergarten helfen können? 

    Steinmeier hat seinen Vorschlag bewusst offengehalten. Weder hat er die genaue Dauer vorgegeben noch die genaue Ausgestaltung definiert. Im Raum steht eine Spanne von einigen Monaten bis zu einem Jahr. Wobei zu bedenken ist, dass der bürokratische Aufwand auch einem gewissen Ertrag gegenüberstehen muss. Beträgt die Dienstzeit deutlich weniger als ein Jahr, dann kippt das Verhältnis. 

    Bei der konkreten Ausgestaltung sollte Flexibilität eingebaut werden. Denkbar ist zum Beispiel, dass Rentner ihre Dienstzeit auf zwei Jahre strecken können und nur drei Tage die Woche ihrer neuen Stelle nachgehen. Auch das wird in der Bundeswehr eher nicht funktionieren. Aber vielleicht sind Jüngere auch froh darüber, wenn sie nach der Schule eine Zwischenetappe haben, um entweder in ein Berufsfeld hineinzuschauen oder in dieser Zeit zu überlegen, was sie eigentlich machen wollen. 

    Das Dienstjahr könnte auch die willkommene Gelegenheit sein, in der Mitte des Lebens den ungeliebten Job zu kündigen und beruflich noch einmal neu zu starten. Millionen Beschäftigte in Deutschland sind unzufrieden mit ihrer Arbeit, trauen sich aber aus vielerlei Gründen nicht zu gehen. 

    Ein tiefer Eingriff des Staates

    Natürlich hat der Pflichtdienst auch Schattenseiten. Er ist – und daran besteht kein Zweifel – ein erheblicher Eingriff des Staates in die Freiheit des Einzelnen. Und dem Arbeitsmarkt würden hunderttausende Fachkräfte entzogen, wenn der Dienst vor dem Rentenalter absolviert wird. In einer alternden Gesellschaft ist das ein gewichtiges Argument dagegen. Außerdem müsste eine umfassende Bürokratie aufgebaut werden, um sicherzugehen, dass jeder und jede der Gesellschaft auch wirklich einmal dient. Ob die Bundeswehr überhaupt in der Lage wäre, zehntausende Rekruten und Rekrutinnen pro Jahr mehr aufzunehmen, ist zumindest fraglich. Ihr fehlen Kasernen, Ausbilder und Material dafür. Ein kritischer Punkt ist auch die Festsetzung des Jahrgangs, ab dem die neue Dienstpflicht greift. Ärger ist vorprogrammiert, weil eine Ungleichbehandlung unausweichlich ist. 

    Trotz dieser nicht von der Hand zu weisenden Nachteile überwiegt das Positive des Dienstes. Er könnte das Land sicherer machen, das Trennende vermindern, die Gemeinschaft stärken.

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