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Kommentar: Warum die Ukraine noch nicht reif für die EU ist

Kommentar

Warum die Ukraine noch nicht reif für die EU ist

Rudi Wais
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    Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, trifft zu einem EU-Gipfel im Gebäude des Europäischen Rates ein.
    Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, trifft zu einem EU-Gipfel im Gebäude des Europäischen Rates ein. Foto: Olivier Matthys/AP, dpa

    Er wurde empfangen wie ein König und kam doch als Bittsteller. Von den Ovationen, mit denen die Abgeordneten des Europaparlaments ihn in dieser Woche gefeiert haben, sollte Wolodymyr Selenskyj sich nicht täuschen lassen. Der ukrainische Präsident sähe sein Land zwar lieber heute als morgen in der Europäischen Union – bis zu einem Beitritt aber werden noch Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte vergehen. Und das ist auch gut so.

    Europäisches Recht und europäische Werte gibt es nicht auf Knopfdruck

    So verständlich es ist, dass die Ukraine ihre Bindung an den Westen in dieser kritischen Phase festigen und institutionalisieren will, so fahrlässig wäre ihre Aufnahme in die EU im Schnellverfahren. Das würde nicht nur andere Beitrittskandidaten wie Albanien, Montenegro oder Serbien vor den Kopf stoßen, die sich seit Jahren bemühen, die strengen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft zu erfüllen und trotz vieler Fortschritte noch weit von ihr entfernt sind.

    Auch für die Ukraine selbst wäre ein Beitritt auf der Überholspur ein riskantes Manöver: Quasi auf Knopfdruck müsste sie dann europäisches Recht und europäische Werte garantieren – ein Ding der Unmöglichkeit für ein Land, in dem die Korruption grassiert, dessen Wirtschaft nicht konkurrenzfähig ist und das sich obendrein noch in einem Krieg befindet. Das Versprechen von Regierungschef Denys Schmyhal, die Ukraine werde bereits im Jahr 2025 alle Vorbereitungen für einen EU-Beitritt getroffen haben, ist deshalb mit großspurig noch freundlich umschrieben.

    Wer der EU beitreten kann, regeln die sogenannten Kopenhagener Kriterien. Sie verlangen stabile staatliche Institutionen von der Arbeitsverwaltung über die Ministerialbürokratie bis zum Verfassungsgericht, eine Marktwirtschaft, die dem Wettbewerbsdruck in der EU standhalten kann, und die Übernahme des kompletten gemeinsamen Rechts, also alle Richtlinien, Verordnungen und internationalen Abkommen, die die EU geschlossen hat. Schneller als in drei Jahren hat das noch kein Land geschafft – und dieses Land war 1995 Finnland, eine seit Jahrzehnten gefestigte westliche Demokratie.

    Mit Geld und Waffen kann Europa auch so helfen

    Das zu betonen und keine falschen Hoffnungen zu wecken, gehört auch zu einem fairen Umgang mit der Ukraine. Möglichkeiten, sie enger an Europa zu binden und ihr weiter mit Geld und Waffen zu helfen, hat die EU auch so. Seit der Krimkrise 2014 gibt es bereits ein sogenanntes Assoziierungsabkommen, das der Ukraine unter anderem einen unkomplizierten Handel mit der Europäischen Union ermöglicht. Hier ist die EU sogar in Vorleistung gegangen, indem sie alle Zölle für Importe aus der Ukraine abgeschafft hat. Umgekehrt hat sich die Ukraine unter anderem dazu verpflichtet, die Korruption entschlossener zu bekämpfen – ein Versprechen, das sie bisher nicht eingelöst hat und so schnell auch kaum einlösen kann. Wer aber würde dann im Falle eines Falles garantieren, dass die Milliarden aus dem Agrarhaushalt der EU nicht bei den Oligarchen landen, die die ukrainische Landwirtschaft seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion beherrschen?

    Nein, umgekehrt wird der berühmte Schuh daraus. Wenn der Krieg irgendwann zu Ende ist, der Wiederaufbau begonnen hat und die Ukraine die Kopenhagener Kriterien tatsächlich zum Maßstab für ihre Zukunft macht, wird ein Beitritt nicht an der EU scheitern. Europas Solidarität mit der Ukraine ist bislang beispiellos, daraus aber leiten sich keine Sonderrechte für eine Aufnahme in die Union ab. Die Frage ist nur, ob Ursula von der Leyen das Wolodymyr Selenskyj auch so deutlich gesagt hat.

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